Die Suche nach dem Regenbogen
Motten darüber hergefallen?«
»Das mit der abgelösten Tinte, in dem die ersten Seiten übermalt sind«, sagte ich. Er hob es auf und betrachtete es abfällig.
»Was ist das?« fragte er wieder.
»Robert, das war einmal in einer Sprache so ähnlich wie Latein beschrieben«, sagte ich. »Seit ich es besitze, habe ich immer wieder davon abgeschnitten, aber ein paar Seiten sind noch lesbar. Ich – ich habe gedacht, Master Dallet hätte es aufgehoben, weil er es wiederverwenden wollte.«
»Wiederverwenden?«
Jetzt stöberte auch ich herum und suchte im Zwielicht nach Sachen, die noch zu retten waren. Ich fand mein kleines, gerahmtes Bild von Hadriel, das auch auf den wiederverwendeten Seiten gemalt war, denn die hatte ich für meine private Malerei fast wie neu hinbekommen. Es war heil und lag mit dem Gesicht auf dem Boden. Ich blies die Asche und den farbigen Staub ab.
»Da«, sagte ich. »Fühlt sich an wie Seide. Bestes, edelstes Kalbspergament. Das hält Jahrhunderte…«
»Susanna, es ist doch nicht zu fassen. Das hättet Ihr gleich, als Ihr es gefunden habt, wegwerfen sollen.«
Ach, da waren ja auch meine Meisterzeichnungen für Porträts und auch die von Master Dallet, kaum verfleckt und noch gut zu gebrauchen. Sie waren auf meine Skizze zu Madame Claudes Engeln gefallen, die vollkommen zerstört war. Es wollte mir schier das Herz brechen. Dahin, dahin. Ich nahm einen alten, fleckigen Mallappen und sammelte ein, was noch zu gebrauchen war: Geräte zum Schleifen und Polieren, Messer, heile Pinsel und die Zeichnungen.
»Wegwerfen? Ich mußte Bilder malen, und das edelste Pergament, nun, Ihr habt ja keine Ahnung, wie teuer das ist. Ich meine, da mir doch niemand einen Vorschuß gegeben hat…«
Er schüttelte nur den Kopf. »Alles verschmiert und übermalt. Was ist das?«
»Da habe ich ausprobiert, wie man die Schrift wegbekommt.«
»Wenn mir nicht so flau im Magen wäre, ich würde lachen«, sagte er. Und dann schlug er vor, wir sollten in seine Zimmer gehen, sie waren über einer Schenke gelegen, die ›Zu den drei Affen‹ hieß, dort sollten wir fürs erste bleiben, bis wir uns einen guten Plan ausgedacht hätten. Also verschnürte ich alles zu einem Bündel, was sich bündeln ließ, stapelte meine geretteten Arbeiten und klemmte sie mir unter den Arm, und Nan nahm meinen Malkasten und Master Ashford meine Vögel, und dann machten wir unter vielen seltsamen Gedanken die Tür hinter dem Chaos zu, das einst mein Atelier gewesen war. Doch mein allertraurigster Gedanke war, daß es Frauen, wie alle Welt behauptet, vielleicht doch nicht bestimmt ist zu malen.
In Master Ashfords Zimmern hieß er seinen Diener Feuer in dem großen Kohlebecken machen, denn es war kühl, und dann schickte er ihn fort, um etwas zu trinken zu holen, während er Kerzen anzündete und sich zum Lesen des zerschnittenen, übermalten Stücks Pergament hinsetzte.
»Ihr habt die Ränder abgeschnitten, Susanna. Darum hat er es nicht erkannt. Es hat nicht die richtige Größe.«
»Aber die waren doch das Beste daran. Warum wohl nicht?«
»Seht her – die Stelle hier kann ich lesen. Das Latein ist schlecht. Wartet. ›Das heilige Blut verborgen… das Geheimnis der Jahrhunderte…‹ Das hilft uns kaum weiter. Mich trifft der… das also ist das Geheimnis der Jahrhunderte. Susanna, in der sogenannten Festung der Erlösung liegt eine Ahnentafel verborgen, kein Schatz. Eine Ahnentafel der Merowinger. Sie behaupten, die ist der Heilige Gral.«
»Und ich dachte immer, der Heilige Gral wäre ein Becher.«
»Wartet. Hmm. Diese Stelle habt Ihr wirklich arg verstümmelt. Aha, da. Schön, schön. Diese Ahnentafel ist anscheinend die einzig wahre Urkunde über die Abstammung der Merowinger von einem königlichen Haus der Provence, das wiederum vom Hause Davids abstammt… O mein Gott! Was für eine Ketzerei! Kein Wunder, daß sie sich schon so lange verstecken.«
»Worum geht es denn?«
»Sie behaupten, daß die Merowinger von unserem Herrn Jesus Christus abstammen, der ein echter irdischer König war und der Kreuzigung durch List, nämlich durch Unterschiebung eines Verbrechers, in letzter Minute entging… ah, ja, da haben wir wieder Text. Hmm. Er ist ins Exil gegangen, hatte Nachkommen, und sein göttliches Blut ist dazu bestimmt, irgendwann in ferner Zukunft sowohl die christliche als auch die heidnische Welt zu erobern und der Erde für immer Frieden und Glückseligkeit zu bescheren, da die Merowinger von Gott höchstpersönlich
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