Die Suche nach dem Regenbogen
sich auf einmal um das Kind von jemand anders kümmern wollen und wenn es sich obendrein nicht um einen Prinzen, sondern um ein ganz gewöhnliches Kind handelt, das nicht einmal türkische Piraten entführen würden.
»Oh, schweigt still. Seht Ihr denn nicht, daß wir sie ermüdet haben? Wie geht es Euch, mein armes kleines Täubchen? Besser? Es geht Euch doch gewiß besser.« Als Antwort stieß ich einen Schrei aus. Die Wehen hatten eingesetzt, und dieses Mal täuschte ich mich nicht. Das Geschöpf wollte geboren werden.
»Cat, hol Goody Forster – und trödele nicht herum«, rief Mistress Hull. »Na, lauf schon!« Und die Tochter der Witwe rannte, während Nan mir die Hand streichelte und mir einzureden versuchte, alles würde gut werden und Frühgeburten wären oftmals Glückspilze.
»Es kommt anders, Nan, ich habe ihn im Traum gesehen. Einen Jungen mit schwarzem Haar –«
»Sei still. Du mußt zur heiligen Margarete beten. Die sorgt gewiß dafür, daß es wohlbehalten geboren wird.«
»Aber ich möchte nicht, daß es geboren wird. Ich sage doch, ich habe ihn gesehen. Es ist ein Junge. Ein Junge mit schwarzem Haar. Und, und – etwas stimmt nicht mit ihm.«
Um Mitternacht holte die Hebamme bei Kerzenschein den Kopf des Geschöpfes, und gleich darauf hielt sie es in den Händen. »Es ist ein Junge«, sagte sie. »Eine Totgeburt. Wahrscheinlich schon ein Weilchen tot.«
»Welche – welche Farbe hat sein Haar?« fragte Nan mit leiser, erschrockener Stimme.
»Schwarz, soweit ich sehen kann«, antwortete die Hebamme. »Und – o mein Gott, seht Euch den Mund an!« Ihre Stimme klang entsetzt.
»Gott steh uns bei«, sagte Nan. »Es hat ja Zähne. Spitze Zähne!«
»Allmächtiger. Dergleichen habe ich noch nie gesehen.« Auch Mistress Hulls Stimme klang erschrocken. »Seht nur, wie dünn und klein, wie Fischzähne. Nur gut, daß es tot ist. Welche Frau hätte den wohl stillen können?«
»Sie darf es nicht sehen«, sagte die Hebamme. »Je eher es unter der Erde ist, desto besser.« Gleichwohl erhaschte ich einen Blick auf das gräßliche, verschrumpelte tote Ding, das nicht größer war als eine nackte Ratte und einen Kopf wie ein Frettchen hatte. Seine Hände jedoch waren hübsch geformt, auch wenn die Fingernägel Krallen waren, und als ich es da mit der verschrumpelten Nachgeburt in dem Kupfergefäß liegen sah, in dem es hätte gewaschen werden sollen, da tat es mir in der Seele leid. Ich meine, wer möchte schon so häßlich geboren werden? Aber man sollte immer gerecht bleiben. Ein Kind ist ein Kind, und jedes verdient eine liebende Mutter, die vielleicht seine guten Seiten fördert, obschon das bei dem Ding da eine Heidenarbeit gewesen wäre.
Und ich will ganz aufrichtig sein, denn die Sünde der Lüge möchte ich nicht auch noch auf mich laden, es fällt ungleich leichter, gerecht zu bleiben und damit den Haß auf etwas mit Mitleid wettzumachen, wenn das Ding tot ist und man nicht auch noch das Mitleid wieder wettmachen muß. Armes, namenloses häßliches Ding, es war nicht einmal getauft worden und kam daher auch nicht in den Himmel. Sollte ich dafür beten? Bete, daß es für immer zu seinem Schöpfer zurückkehrt, denn es hatte nichts mit dir zu schaffen, klang ein Echo meiner Traumstimme, obschon ich wach war. Das war alles sehr verwirrend, und ich merkte, daß mir die Tränen übers Gesicht liefen. Ich war sehr müde, nicht nur von den Geburtsschmerzen, sondern auch vor Entsetzen, weil ein ausnehmend schlimmer Traum wahr geworden war und ich statt eines schönen, engelgleichen Kindleins, das mein Trost hätte sein sollen und das möglicherweise gelbe Locken gehabt hätte, ein Dämonenkind geboren hatte.
»Ich schaffe es in aller Stille beiseite«, sagte die Hebamme.
»Und ihr und ich, wir müssen eisern den Mund halten. Ein Wort –« Ja, ein Wort, und der Hexenjäger stand uns ins Haus, und der war um einiges schlimmer als der Schuldeneintreiber. Schließlich klatschen und tratschen Menschen schrecklich gern, und über nichts redeten Frauen lieber als über Mißgeburten mit zwei Köpfen oder sechs Zehen oder vielleicht ohne Hirn, und alles, weil die Mutter eine schwarze Katze oder eine alte Frau mit dem bösen Blick gesehen hat. Denn ein Kind mit Zähnen, ein echtes Dämonenkind, bekam man nur, wenn man mit dem Teufel eine Orgie gefeiert und ihm beigelegen und übernatürliche Lust empfunden hatte, und dann sind alle neidisch, abgesehen davon, daß gewisse Gliedmaßen des Teufels eiskalt
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