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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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kleinen Formaten malt. Er starb unversehens und verschuldet, und sie bringt sich damit durch, daß sie ihre Arbeiten als seine ausgibt.«
    In Violett und mit großem Pektorale machte Wolsey eine eindrucksvolle Figur; aber sein Lächeln war dünn und erreichte nicht die Augen. »Äußerst einfallsreich und beharrlich von Euch, Master Ashford«, sagte er zu dem Mann, der vor ihm. stand, während er in seinem Audienzzimmer in Brideswell in der Fleet Street auf dem großen, gepolsterten Stuhl saß. Wolseys Füße in den Samtschuhen ruhten auf einer niedrigen Fußbank; die Galle machte ihm an diesem Tag zu schaffen, gleichwohl hatte er seit dem Morgengrauen ohne Unterlaß gearbeitet. Neben dem ehrgeizigen Kirchenfürsten stand Cavendish, gefällig ehrerbietig und mit verbindlicher Miene, hinter ihm mehrere seiner adligen Gefolgsleute. Schade, daß es den Meistermaler nicht gab, doch andererseits versprach das Ganze zumindest eine vergnügliche kleine Ablenkung. Eine Kuriosität-wie das Kalb mit den zwei Köpfen oder der Hund, der zählen kann. Die Gefolgsleute traten von einem Fuß auf den anderen. »Wieder einmal erweist sich, wie unendlich durchtrieben Frauen doch sind«, bemerkte Wolsey.
    »Oh, wie wahr, Euer Gnaden«, sagte Cavendish. Wolsey nickte beifällig, und Ashford kochte innerlich. Dieser aalglatte Schmeichler versuchte tatsächlich, ihm sein Verdienst zu stehlen. Wolsey dachte jedoch an die Miniatur. War das ein Zufallstreffer gewesen?
    »Gleichwohl zeigt eine solche Frau einen gewissen Fleiß, den man ihr nicht absprechen kann«, sagte Wolsey und nickte in Ashfords Richtung.
    »Oh, wie wahr, Euer Gnaden.« Da hast du's, Cavendish, dachte Ashford. Was weißt denn du schon von der Sache? Schließlich fragt er nach meiner Meinung.
    »Ihr habt mit ihr gesprochen? Ist sie zänkisch und frech? Anormal? Ein Mannweib möglicherweise?«
    »Sie – sie ist nicht wie Frauen üblicherweise sind, Euer Gnaden. Sie ist jung, und ihre Rede ist etwas wirr. Ihre Augen sind… anders. Blau, eher groß, wie bei manchen Einfaltspinseln, die man zuweilen zu sehen bekommt. Aber sie scheinen alles aufzunehmen. Und was ihre Malerei angeht, so bin ich zu dem Schluß gekommen, daß die Frau eine Laune der Natur sein muß, denn ihre Arbeiten sehen aus, wie von einem Mann gemalt.«
    »Ist das Bild, das Ihr ihr abgekauft habt, ihre eigene Arbeit, oder hat sie Euch schon wieder irregeführt?« Wolsey musterte die eingehüllte Bildtafel, die sich sein adliger Kammerherr unter den Arm geklemmt hatte.
    »Die Art des Bildes läßt mich glauben, daß sie nicht lügt. Sagt, erinnert Ihr Euch noch an Rowland Dallets Züge?«
    »Ich entsinne mich, daß er selbst sehr von ihnen eingenommen war.«
    »Aha. Dann zeige ich Euch jetzt das Gemälde, Euer Gnaden.« Ashford hatte sich nicht getäuscht, was das Aufsehen anging, als er die Tafel enthüllte. Beim Anblick der üppigen, rosigen 'Eva und der Schlange mit dem lüsternen menschlichen Gesicht prustete Wolsey los, und sein Privatsekretär legte sich die Hand vor den Mund, um sein Lächeln zu verbergen. Wolseys Edelleute lachten schallend.
    »Also, wenn das kein Abbild der Sünde ist«, sagte der Almosenpfleger des Königs belustigt und mißbilligend zugleich.
    »Wie Ihr seht, hat sie der Schlange das Gesicht ihres Mannes gegeben«, erläuterte Master Ashford.
    »Diese Ehefrau ist wohl kaum eine geduldigte Griseldis, wie, Ashford? Kein Wunder, daß der Mann so hohe Schulden angehäuft hat.« Wolsey lachte in sich hinein. Ashford warf einen Blick auf das Gesicht von Cavendish, dem keine schlagfertige Bemerkung eingefallen war, und wohlige Zufriedenheit durchströmte ihn.
    »Euer Gnaden, mir scheint, daß mich einmal jemand auf die Frau aufmerksam gemacht hat«, sagte einer seiner Ritter und zeigte auf das Gemälde. »Eine übel beleumdete Dirne. Ich könnte schwören, es ist die Ehefrau eines gewissen Captain Pickering.«
    »Pickering? Ich glaube, den Mann kenne ich. Seine Frau, sagt Ihr?« fragte ein anderer Ritter.
    »Das also ist des Rätsels Lösung. Sehr schlau, in der Tat sehr schlau. Ihr seid ein wahrer Bluthund, Ashford. Wenn ich Euch auf ein Problem ansetze, verfolgt Ihr es bis zum Ende. Seid versichert, daß ich Euch das nicht vergesse.« Ashford verneigte sich und sonnte sich in der Gunst des großen Mannes. »Ein merkwürdiges Bild. Der Garten Eden kommt mir ein wenig felsig vor, was meint Ihr?«
    »Mir kömmt er wie der Süden Frankreichs vor, Mylord«, antwortete Ashford, der in Wolseys

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