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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Er sah nicht aus wie einer unserer üblichen Kunden, denn Priester war der nicht. Er trug ein Schwert. Vielleicht ist es ein ausländischer Priester, und vielleicht kleiden die sich auf Reisen so, dachte ich. Ich sah, wie er zu jedem zweiten Satz im Redefluß der Witwe Hull höflich nickte.
    »Wie geschaffen für Eure privaten Meditationen über Sünde und Vergebung –« Er nickte. Offensichtlich ein Priester. Verkaufte sie endlich einen grünen Christus?
    »Die Farbe gleicht den anderen gar nicht, ist es von derselben Hand?« erwiderte der Fremde mit intelligent klingender Stimme. Aha, es mußte sich um Adam und Eva handeln. Ich kann darauf verzichten, daß ein intelligenter Mensch sich meine Evas nebst Adam zu genau ansieht, dachte ich besorgt.
    »Ihr kennt Euch aber gut mit schönen Gemälden aus. Nein, das hier ist eines der wenigen Werke – das allerletzte das der bedeutende Hofmaler Rowland Dallet seiner Witwe hinterließ. Die Ärmste ist so krank vor Kummer, daß ich es auf mich genommen habe, das hier zusammen mit einigen anderen ihrer Habseligkeiten zu verkaufen.« Schlau, Mistress Hull, schlau, dachte ich. Man sollte ihre Schlagfertigkeit nie unterschätzen. Der Mann nickte. Gut, dann argwöhnt er nichts. »Ich habe bemerkt, daß Ihr beim Eintreten das Tintenhorn angesehen habt. Es hat mir gezeigt, daß Ihr ein großer Gelehrter seid, ein Mann von Urteilsvermögen.« Ich sah, wie der Hinterkopf des Mannes in der Kapuze erneut nickte. Ich erstarrte. Wehe, du gibst ihm zu Adam und Eva ein Tintenhorn gratis. Diesen Gedanken schoß ich ab wie einen Pfeil, er sollte in ihren Kopf dringen. Schlage den höchsten Preis heraus.
    »Die Komposition ist ungewöhnlich. Die Schlange…«
    »Master Dallet war ein ganz hervorragender Maler.« Mistress Hull flüsterte jetzt dramatisch. »Um Euch, und nur Euch, die Wahrheit zu sagen, ich glaube nicht, daß sie eine Ahnung von seinem Wert hat. Meiner Meinung nach hat sie den Preis zu niedrig angesetzt. Doch wer bin ich, daß ich gegen den Wunsch einer so frommen, gramgebeugten Frau handele? Selbstlos ist sie, vollkommen selbstlos… es wäre ihr eine große Hilfe…«
    Nan und ich versuchten, hinter dem Fremden auf Zehenspitzen die Treppe zu erreichen. Doch ein Dielenbrett knarrte, und auf einmal drehte sich der Mann um. Sein Blick nagelte mich fest. Ich wußte, ich kannte ihn von irgendwoher, aber von wo?
    Seine Miene war streng, sein Mund zu einer festen, entschlossenen Linie zusammengepreßt. Er schien mich auch zu kennen, aber woher bloß. Ich eilte die letzten Schritte zur Treppe.
    »Bleibt, Mistress Dallet«, sagte er in gebieterischem Ton. Ich stand wie gelähmt, mit einem Fuß auf der Treppe. Oh, jetzt erkannte ich ihn. Es war die Nase, diese hervorragende gerade Nase, und darüber die gescheiten, vergnügten haselnußbraunen Augen. »Kömmt her, kommt her, ich beiße nicht«, sagte er. Schweigend drehte er die Holztafel um, die er in der Hand hielt, so daß ich das Gemälde sehen konnte. Evas Versuchung nebst sich suhlender Schlange. Er blickte mich abschätzend an und versuchte, sich einen Reim auf meine Verwirrung zu machen. Ich stand wie angewurzelt. Es zuckte um seine Mundwinkel. Er hatte sich zu etwas durchgerungen, aber o weh, was mochte das sein? »Kommt her«, schmeichelte seine Stimme, »wir beide müssen uns einmal ernsthaft unterhalten.« Widerwillig tat ich einen Schritt. »Ihr seid ja ganz blaß geworden, Mistress Dallet, möchtet Ihr Euch hinsetzen?« Ich schüttelte stumm den Kopf. Ich hatte Bauchgrimmen, und meine Hände waren kalt.
    »Ihr habt mich ganz schön an der Nase herumgeführt, und das wißt Ihr«, fuhr er fort. »Master Dallet hatte gar keinen Lehrjungen, und es hat mich einiges gekostet, das herauszufinden. Das war wirklich nicht nett von Euch.« Mir hatte es die Sprache verschlagen. Er schob die Kapuze zurück, legte den Kopf schief und maß mich mit abschätzendem Blick. »Eure Miene sagt mir, daß mich meine Ahnung nicht trügt«, meinte er. Was wieder einmal beweist, daß ich recht hatte, dachte ich. Mir war von Anfang an klar, daß dieser Mann Ärger bedeuten würde.
    »Ich weiß nicht, was Ihr meint«, antwortete ich lahm.
    »Dann beantwortet mir eine einzige Frage, Mistress Dallet. Warum habt Ihr der Schlange das Gesicht Eures Gatten gegeben?«

Kapitel 9
    U nd das, Euer Gnaden, ist des Rätsels Lösung, die Erklärung für den Geist. Der Maler hatte eine schlaue Frau, die Tochter eines Ausländers, die äußerst geschickt in

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