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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Großen dieser Welt vorladen, und so wich und wankte sie nicht, auch wenn ihr bei dem Gedanken, was sie damit über sich gebracht hatte, ganz elend zumute wurde. Das habe ich wirklich nicht gewollt, dachte sie. Ich hätte daheim bleiben und mich zufriedengeben sollen. Furcht blitzte in den erschrocken aufgeschlagenen blauen Augen auf. Niemand außer Wolsey bemerkte es. Aha, dachte er. Ich habe sie.
    »Ich möchte Euch in meine Dienste nehmen, als Malerin, zu fünfzehn Pfund im Jahr. Hier sage ich Euch, was ich haben möchte, und während meiner Abwesenheit erteilt Euch Master Cavendish Anweisungen.« Eine Kuriosität für seine Sammlung wie eine Uhr mit Glockenschlag. Doch dieses Mal mehr als nur eine Kuriosität. Ihm fiel die arme Mißgeburt ein, und er ermahnte sich, behutsam vorzugehen, die Begabung nicht zu zerstören, wenn er Nutzen daraus ziehen wollte. »Ich erwarte, daß Ihr stets von einer ehrbaren Frau Eurer Wahl begleitet seid«, setzte er hinzu und bemühte sich um eine onkelhafte Miene. Sie sah den Blick, und es gelang ihr, die aufsteigende Panik zu unterdrücken.
    »Es ist mir eine Ehre, Euren Vorschlag anzunehmen, Euer Gnaden«, antwortete sie mit hämmerndem Herzen.
    Die ganze Unterredung hatte kaum eine Viertelstunde gedauert. Wolsey, der Kriege und Maskenbälle mit derselben Effizienz organisierte, verweilte nur kurz in Gedanken, bevor er sich wieder der endlosen Abfolge von Geschäften zuwandte, die seinen Tag ausmachten. Ein Maler, der Ähnlichkeit abbilden konnte, war für jeden Fürsten ein großer Gewinn. Und einer, der Ähnlichkeit auf kleinem Format schaffen konnte, wurde noch mehr bewundert und gereichte dem Gönner zur Ehre, der seine Gunst beweisen konnte, indem er edle Kleinodien mit dem Abbild des Herrschers oder seiner selbst zum Geschenk machte. Doch ein Maler, der den Charakter auf einer Handspanne abbilden konnte, der war eine Kostbarkeit und für einen Diplomaten, der Motive auf tausend Meilen Entfernung einschätzen mußte, unglaublich wertvoll. Und die hier ist ein schlichtes Gemüt, überlegte Wolsey. Das kann durchaus seine Vorteile haben. Aber sie braucht einen Aufpasser. Sie darf mir nicht abhanden kommen.
    Wolsey blickte Cavendish an, der so angenehm im Umgang war. Nein, den brauche ich, dachte er. Dann blickte er den Hilfsprediger seiner Kapelle an – nein, der würde sich nur um seinen Ruf sorgen. Dann fiel sein Blick auf Ashford, der das weibliche Geschlecht mehr als einmal bitter angeprangert hatte. Es ging um eine Frau, die ihre Verlobung mit ihm gelöst hatte, weil sie einen wohlhabenderen Mann heiraten wollte. Und das war auch richtig so. Eltern hatten schließlich das Recht, sich die beste Anlage für die Mitgift auszusuchen. Und Ashford hat wirklich etwas Weltfremdes, der glaubt noch an all die Schwüre in Rosenlauben, dachte Wolsey. Er muß erwachsen werden. Und während er über Ashfords aufreizenden, stachligen Charakter nachdachte, wurde Wolsey insgeheim sehr vergnügt. Ein Mann, der Frauen haßt, das wird ein köstlicher Spaß, das wird ihm guttun und ihn Demut lehren. Der wittert doch bei allem, was Röcke trägt, Verrat. Wirklich nützlich. Er wird mir über jeden ihrer Schritte berichten, nur weil er sie zu Fall bringen will.
    »Master Ashford«, sagte er, »ich wünsche, daß Ihr diese Frau im Auge behaltet, insbesondere auf Reisen. Und laßt zwei goldene Schatullen anfertigen. Ich habe vor, sie mit den Porträts meiner Nichte und meines Neffen auf die Probe zu stellen.« Ja, für seinen Sohn, den kleinen Thomas Winter, aus dem er wiederum einen Kirchenfürsten machen würde, kam nur Gold in Frage. Hatte der Papst nicht auch einen Sohn? Und Wolsey war fest entschlossen, der erste englische Papst zu werden.

    Trotz aller Probleme, die man hat, wenn man ein toter Maler ist, sie sind nichts gegen die, die man als lebendige Malerin hat, denn darauf ist niemand so richtig gefaßt, und das ist mißlich. Kaum hat man sich mit den Großen dieser Welt eingelassen, schon hat man kein eigenes Leben mehr, und auch das bedauerte ich zutiefst. Und wie sich dieser lästige Sekretär Wolseys aufblähte, weil er mir auf die Sprünge gekommen war, und wie er im Atelier herumschnüffelte und sich alles ansah und sagte, er würde mir behilflich sein und mich unterweisen, weil ich mich in der Etikette hoher Häuser auskennen müsse, die seiner Meinung nach sehr kompliziert war. Normalerweise hätte ich ihm schlicht für seine Bemühungen gedankt, aber ich war in meinem Atelier,

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