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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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machte. Was war schon ein einzelner Mensch? Eine Familie war besser, und eine Dynastie zu stürzen, das war eine echte Herausforderung. Ja, bald habe ich den Rest des Buches, dachte er zufrieden, während er einen Pagen an der Eingangstür anwies, seinen Diener zu rufen und sein Maultier zu holen.

    Noch binnen einer Woche ging ich nach Brideswell und wartete wie alle anderen Höflinge meinem neuen Gönner auf. Das Gute daran war, daß Brideswell unweit unseres Hauses gelegen war, daher mußte ich nicht in aller Herrgottsfrühe bei Kälte aus dem Bett, und hinzu kam noch das ausnehmend gute Essen aus der bischöflichen Küche. Schlimm war, daß das ganze Haus von Männern wimmelte, vor allem von Priestern, die mich und Nan anstarrten, als entweihten wir geheiligten Boden mit großen, dreckigen Füßen. Man schickte mich jedoch schnurstracks an die Arbeit, und so suchte ich mir einen Platz mit gutem Licht, und den fand ich in der Bibliothek, wo ich umräumen und für die mir Modell Sitzenden einen anständigen Stuhl ans Fenster stellen ließ. Der ganze Aufruhr lockte immer mehr Menschen an, die sich die Sachen ansehen wollten, die ich in dem Kasten, den Nan trug, mitgebracht hatte. Und dann kam auch noch ein Musiker aus der Kapelle, der mir die Zeit vertreiben und den Abzubildenden beruhigen sollte, und der stimmte seine Laute und blickte verärgert. Und ihm folgte eine Schar großer Jagdhunde mit messingbeschlagenen Halsbändern, und die setzten sich im Kreis um mich und blickten mich an, denn man weiß ja, wie es mir mit Hunden ergeht. Vielleicht denken sie, ich habe Futter für sie. Ha, Leute, jetzt sollt ihr einen Bären tanzen sehen, dachte ich. Jetzt könnt ihr etwas erleben.
    Doch wie staunte ich, denn Mistress Dorothy und Master Thomas Winter waren Kinder und kamen mit ihrer Kinderfrau von irgendwo im oberen Stockwerk. Ich freute mich, daß der Bischof sich als guter Christ erwies, der sich so liebevoll um zwei Waisen kümmerte, daß er sie sogar malen ließ, denn das geht gewiß weit über das hinaus, was die Bibel von uns fordert. Mistress Dorothy war älter und ruhiger, Master Thomas jedoch mußte weggeführt werden, weil er unartig war und mit Sachen um sich warf und brüllte, daß er als erster an die Reihe kommen wolle. Ich sagte ihm, daß ich erst üben müßte und daß, wer zuletzt lacht, am besten lacht, und da sah er recht erschrocken aus, doch seine Kinderfrau gab ihm eine Süßigkeit und ließ mich mit Mistress Dorothy allein, und all die Lords und Ritter und Priester und was weiß ich sahen vergnügt aus. Dann wiederum mußte ich Dorothy versöhnlich stimmen und sagte, sie käme als erste an die Reihe, weil sie wohlerzogener sei, und ich würde sie viel hübscher hinbekommen, wenn ihr Bruder nicht herumhüpfte und -schrie. Sie nickte und sagte, ich möchte doch bitte auch ihr Püppchen malen, und da wußte ich, jetzt hatte ich gewonnen. Und in der Ecke bemerkte ich Master Ashford, der alles, was ich machte, beobachtete und so blaß aussah, als hätte er sich das Wechselfieber zugezogen.
    Ich setzte sie also in das Licht am Fenster, und da lehnte sie nun in den Kissen des großen Stuhls und hielt sich an ihrer Puppe fest. Und auch all die großen Hunde legten sich hin, und der Lautenspieler spielte, und die neugierigen Priester und Ritter traten herzu und rückten mir auf den Leib, weil sie alles mitbekommen wollten, bis ich sie warnte, daß bereits der kleinste Tropfen Feuchtigkeit das Bild zerstören kann. Dann machten alle große Augen, als Nan mir in den Seidenkittel half, und staunten laut, wie winzig doch meine Pinselchen waren, so als hätten sie noch nie gesehen, wie eine Miniatur entsteht. Doch ich bemerkte sie nicht mehr, denn ich befand mich wieder in der Stille und in dem Raum, der mich stets umgibt, wenn ich mich völlig ins Malen versenke.
    Wenn man das hört, sollte man meinen, das größte Problem mit Kindern wäre ihr Gezappel, doch es liegt ganz woanders. Der Haken ist, daß ihre Gesichter so rund sind – je kleiner, desto runder – und daß ein Kindergesicht praktisch aus zwei Kreisen besteht, mit einem kleinen Knopf als Nase, der fast nicht zu sehen ist. So läßt sich schwerlich der Charakter abbilden, obschon auch Kinder einen haben. Manche Maler lösen das Problem und geben sie einfach als kleine Erwachsene wieder, aber das ist verkehrt, und zuweilen bekomme ich Bilder zu sehen, die mich entsetzen, vor allem von Männern, die wohl keine Kinder haben.
    Doch Mistress Dorothy

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