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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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war schon etwas älter und daher leichter zu malen, und deshalb fing ich auch mit ihr an. Während ich ihr Gesicht musterte, bemühte ich mich, ihre Gedanken zu erspüren, so wie ich es immer mache, und die versuche ich dann in das Bildnis einzubeziehen. Sie war ganz ratlos und traurig, obschon mir nicht klar war, warum. Als ich die ersten Pinselstriche an ihrer Stirn tat, da wußte ich, daß ich den Schlüssel zu ihren Zügen besaß. Sie hatte Pech mit ihrem Aussehen, denn ihr Gesicht war etwas zu kantig geraten, und mit Ende der Kindheit würde sich auch der letzte Liebreiz verflüchtigt haben. Ich malte jedoch ihre ernsten Augen und die betrübten, plumpen Züge höchst liebenswert, und das war auch richtig so. Beim Arbeiten konnte ich Ausrufe und Bemerkungen hören, doch sie waren für mich nicht mehr als das Geräusch der Laute und das Gezwitscher der Vögel im Garten jenseits des Fensters.
    Nach einem Weilchen war sie steif, und ich hatte genug geschafft, daß ich die Miniatur im Atelier beenden konnte, und alle wollten essen, sogar die Hunde, und da hörte ich auf. Mistress Dorothy wollte wissen, ob ich später noch mehr Farben nehmen und ihre Perlenkette noch schimmernder und prächtiger machen würde, und ich erzählte ihr, daß ich die Stickerei und das Geschmeide immer daheim machte. Sie nickte altklug, besah sich meine Utensilien, stellte Fragen über Farben, wie man es schaffte, daß Formen rund wirkten, wenn sie doch flach waren, und andere Fragen, die ich beantwortete, so gut ich konnte. All die Gaffer blickten sehr sonderbar, während ich redete, daher nehme ich an, daß sie sich noch nie Gedanken über Malerei gemacht hatten.
    »Es ist gut«, konnte ich Master Ashfords Stimme in meinem Rücken hören, als ich meine Pinsel auswusch.
    »Sie ist ein kluges Kind«, antwortete ich, aber der Ton seiner Stimme verwunderte mich.
    »Frauen, selbst kleine, schwatzen einfach zuviel«, sagte er.
    Ich lachte ihn aus. »Es ist eine Verschwörung«, sagte ich.
    Doch seine Antwort war wirklich merkwürdig. »Und Ihr wagt es, das auch noch zuzugeben. Was macht Euch zu dem, was Ihr seid?«
    »Meine Natur und mein Schicksal«, gab ich zurück, da er mich mit seiner Bemerkung gekränkt hatte.
    Mit Master Thomas war kein Auskommen, er brachte die ganze Bibliothek in Gefahr. Also gingen wir mit ihm in den Garten, obschon es feucht war, und während seine Kinderfrau ihm gut zuredete, tobte er herum und prahlte, hielt einen Augenblick in seiner Kurzweil inne und plapperte, als landete ein Schmetterling im Flug. In diesen Pausen skizzierte ich ihn großformatig in Kohle und fing seine charakteristische Kopfhaltung ein, während er die Erwachsenen belehrte, was ich höchst vergnüglich fand. Sein Porträt wollte ich dann im Atelier malen. Er hatte, wie seine Schwester, einen etwas zu großen Kopf und auch diesen altklugen Blick. Ein merkwürdiges Gesicht, das mich stark an den Bischof, seinen Onkel, erinnerte. In den Garten waren uns nicht so viele Leute gefolgt, doch alle wirkten sehr interessiert an meinen Skizzen, und Master Ashford warf mir einen scharfen Blick zu, als er meine Zeichnungen von Master Winter sah, doch da ich mir keiner Schuld bewußt war, wandte er sich einfach ab und schüttelte den Kopf, als wäre ihm eine Fliege ins Ohr geraten. Danach gingen wir ins Haus, und alle Hunde standen auf und folgten mir unter Gejapse mit hängender Zunge, und da schüttelte er noch einmal den Kopf.
    Mir schien, diese ersten Porträts waren eine Art Prüfung, weil man sehen wollte, ob ich wirklich selbst male. Als ich sie dem Bischof brachte, betrachtete er sie lange, dann räusperte er sich und sagte, sie seien gut geraten und genau so, wie er erwartet hätte. Als Master Ashford mich von meiner Audienz nach Hause begleitete, blickte er noch gereizter als gewöhnlich, und als wir das Haus in Brideswell endlich durch eine Seitentür verlassen hatten, sagte er: »Ihr seid ein dreistes Ding. Ihr habt Glück, dieses Mal seid Ihr noch mit heiler Haut davongekommen.«
    »Ich weiß nicht, was Ihr meint«, sagte ich und machte vor ihm einen langen Schritt über den Rinnstein.
    »Ihr wißt genau, daß Ihr ihnen die Züge des Bischofs gegeben habt«, sagte er und holte mit einem ausgreifenden Schritt wieder auf.
    »Ich male, was ich sehe, nicht weniger und nicht mehr«, sagte ich. »Außerdem ist er ihr Onkel. Warum sollte also keine starke Ähnlichkeit bestehen? Das ist nur natürlich.«
    »O ja«, pflichtete Ashford mir mit

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