Die Suche nach den Sternen
lebten, wurde an Bord immer größer.
Sie fanden nicht den geringsten Hinweis auf Städte oder Dörfer und beschlossen deshalb, neben einem der größten menschlichen Artefakte zu landen – einer Windmühle. Aus der Nähe entpuppte sich die Mühle tatsächlich als wesentlich größer als erwartet. Das Gebäude war ein gewölbter Turm aus einer Art weißer Ziegelsteine, und den Fenstern nach zu urteilen mußte er mindestens dreißig Etagen hoch sein. Die Flügel der Mühle waren aus Holz gefertigt, über die man ein festes Tuch gespannt hatte. Ein kleineres Segel am hinteren Ende der Mühle war im rechten Winkel zu den Flügeln aufgespannt und diente offenbar dazu, die drehbare Spitze des Turms im Wind zu halten. Das gesamte Gebäude strahlte Dauerhaftigkeit und solide Ausführung aus, und hätte man Ancor gesagt, daß es bereits seit mehreren hundert Jahren dort stand, hätte er es ohne weiteres geglaubt.
Sie landeten in einiger Entfernung von der Mühle, um eventuelle Bewohner nicht zu sehr zu erschrecken, und machten sich dann zu Fuß auf den Weg zum Turm. In der geringen Schwerkraft fühlten sie sich leicht und unbeschwert. Alle Mannschaftsmitglieder waren bewaffnet, hatten aber ihre Waffen unter der Kleidung versteckt, als sie sich der großen, steinernen Tür näherten. Sie rechneten damit, daß man sie erwartete oder abfing, aber die Mühle schien verlassen, auch wenn mehrere Hinweise dafür sprachen, daß sie in jüngster Zeit bewohnt gewesen war. Sie berieten sich, und schließlich warteten Cherry, Tez und Carli vor der Tür, während Maq und Sine sich in das Innere vorwagten. Das Erdgeschoß war eine Werkstatt, in der man vor allem Holz bearbeitete. Sie fanden eine Reihe raffinierter Geräte, die zum größten Teil von der riesigen, knarrenden senkrechten Welle angetrieben wurden, die mit den Flügeln verbunden war.
Im hinteren Teil des Raums waren Winden, die durch Löcher in der Steindecke verliefen, und eine Anzahl Säcke, die darauf hindeuteten, daß in den oberen Stockwerken eine Art Korn gemahlen wurde. Eine steinerne Wanne, in die fließendes Wasser mündete, bewies, daß man die gewonnene Energie auch dafür verwendete, um Wasser von den Seen heraufzupumpen. Die Ingenieursleistung beeindruckte Ancor. Ohne die Möglichkeiten einer High-Tech-Kultur hatten diese Menschen es geschafft, das Optimum aus einer einzigen Energiequelle – dem Wind – herauszuholen. Blieb nur die Frage: Wo waren diese Menschen?
Eine breite Wendeltreppe führte zu den oberen Stockwerken, und als sie die Stufen erklommen, kündigten sie ihr Kommen mit lauten Rufen an, um mögliche Ängste der Bewohner zu besänftigen. Wie erwartet, wurde im ersten Stock Korn gemahlen; außerdem konnten mit verschiedenen Geräten auch noch andere Substanzen und Materialien zerkleinert und vermischt werden. In der Etage darüber fanden sie eine zweite Werkstatt, die der Stoffbe- und -Verarbeitung diente. Im dritten Stock fanden sie endlich, wonach sie suchten -Zimmer und größere Räume, die als menschliche Behausungen dienten. Alles war sauber und ordentlich, nach den Maßstäben der Mars-Schale zwar spartanisch, aber bequem und in keiner Weise ärmlich. Ancor schätzte, daß die Mühle etwa dreißig Menschen eine Heimat bot, die den Großteil ihrer Bedürfnisse dort und auf den fruchtbaren Berghängen befriedigen konnten. Die Windmühle war nichts anderes als ein komplettes Dorf. Nur, wo versteckten sich seine Bewohner?
Maq und Sine durchsuchten den gesamten Turm bis zum obersten Stockwerk und stiegen wieder hinunter. Alles deutete darauf hin, daß sich mindestens bis zum vorigen Tag Menschen in der Mühle aufgehalten hatten, aber sie konnten keinen einzigen Bewohner finden. Verwirrt verließen sie den Turm und gingen zu den übrigen Expeditionsmitgliedern, die in der Zwischenzeit den Gipfel erforscht hatten. Doch ihre Funde vergrößerten lediglich das Geheimnis: Die grasbewachsenen Hänge gingen in fast vertikale, mehrere hundert Meter hohe Felswände über, in denen es weder Pfade noch Treppen gab, mit deren Hilfe ein ganzes Dorf den Gipfel hätte verlassen können. Buchstäblich von einem Tag auf den anderen waren die Bewohner verschwunden.
Tez und Cherry schossen Holo-Aufnahmen für das Archiv der Expedition, und Sine und Carli fertigten Aufzeichnungen über das Leben der Käfigwelt-Bewohner an. Ancor legte sich im Licht einer Proto-Sonne ins Gras und zerbrach sich den Kopf über das Rätsel. Hin und wieder setzte er sich auf und
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