Die Suche nach den Sternen
genoß den sanften, warmen Wind. Dann sprang er plötzlich auf und rannte zur Shellback, um ein Fernglas zu holen. Er richtete die Linsen auf den Himmel. Das Geheimnis der Windmühle war gelöst: Etwa fünfzig Menschen trieben durch die Luft auf sie zu.
Kapitel 20
Ancor war von diesen Menschen und ihrer Weise zu fliegen fasziniert. In der niedrigen Schwerkraft der Käfigwelt waren selbst die Mannschaftsmitglieder der Shellback dazu in der Lage, weite Sprünge zu vollführen, was ihnen ein wunderbares Gefühl der Freiheit einflößte. Die Menschen, die über ihnen flogen, hatten es sogar noch einfacher. Selbst die Erwachsenen waren kleingewachsen und dünn und wogen vermutlich nur halb soviel wie Maq Ancor. Dennoch erschienen sie geschmeidig und drahtig. Ihre Flugweise war ebenfalls bemerkenswert. Jeder von ihnen wurde von einem langen, mit Gas gefüllten Ballon in der Luft gehalten. Die Ballons waren an ihrer untersten Stelle kaum dicker als ein Seil. Darunter war ein flacher, runder Stein angebracht, der gleichzeitig als Ballast und als Plattform diente, auf der der Flieger stand. Mit einem beiläufig um die dünnste Stelle des Ballons geschlungenen Arm, hielten sich die Käfigwelt-Bewohner fest. Selbst den kleineren Kindern schien das nicht schwerzufallen.
Ihre einzige Antriebskraft war die sanfte Brise, und sie mußten offensichtlich immer die richtige Windrichtung für ihre Rückkehr abwarten. Das hieß aber nicht, daß sie völlig unfähig zum Steuern waren. Durch den geschickten Einsatz des eigenen Körpergewichts konnten sie durch die Luft wirbeln oder sich langsam seitlich vorarbeiten. Die langen Ballone folgten ihnen schlängelnd. Ein schwacher Aufwind, der die Berghänge hinaufwehte, gab ihnen zusätzlich Auftrieb, den sie aber nach Bedarf neutralisieren konnten.
Cherry und Tez, denen Maqs Spurt zum Fernglas nicht entgangen war, hatten die Holo-Kamera hergebracht, um die merkwürdige Kavalkade in der Luft aufzuzeichnen. Sine und Carli befanden sich immer noch in der Mühle, und hatten die anrückenden Käfigwelt-Bewohner noch nicht bemerkt, Ancor stand allein im Gras und reckte beide Arme nach oben, sowohl, um die Flugmenschen zu begrüßen, als auch, um seine friedlichen Absichten zu betonen. Der erste Augenblick eines Zusammentreffens zweier Völker war immer entscheidend, und sobald das Vertrauen erst einmal hergestellt war, überraschte es Maq immer wieder, wie viele kulturelle Unterschiede man überbrücken konnte.
Ancor glaubte zuerst, die Gruppe am Himmel setzte zur Landung an, weil die Flugmenschen Höhe verloren und neugierig nach unten blickten. Sie riefen einander in einer unbekannten Sprache zu, deren Worte in der milden Luft weit trugen. Dann passierten die ersten Käfigwelt-Bewohner ihn und warfen eine Art feines Netz auf ihn ab. Ancor, der die plötzliche Gefahr spürte, griff automatisch nach der Waffe – und erstarrte mit einem Schlag, als er die Beschaffenheit des Netzes, das auf ihn herabgefallen war, erkannte. Das gesamte Gewebe war mit kleinen, metallenen Stacheln übersät, die Angelhaken ähnelten. Bei der kleinsten Bewegung würde er seine eigene Haut aufreißen.
Er wagte es nicht einmal, sich umzudrehen, als der Himmelszug weiterflog, aber er hörte Cherrys Aufschrei, der abrupt verstummte. In jenem Augenblick wußte er, daß der Illusionist und Tez ebenfalls gefangen waren. Das kalte Metall der Widerhaken erinnerte Maq Ancor daran, daß er zum erstenmal in seinem Leben in eine Falle geraten war, aus der er sich nicht aus eigener Kraft befreien konnte. Ihre einzige Hoffnung war, daß die Käfigwelt-Bewohner landeten, bevor Sine und Carli aus der Mühle kamen. Wenn sie die beiden Frauen ebenfalls außer Gefecht setzten, war die gesamte Expedition der Gnade ihrer erfinderischen Fänger ausgeliefert.
Bald hörte Ancor einige Schreie aus nächster Nähe, und ihn verließ der Mut. Zwei Flugmenschen rannten auf ihn zu und verlangten etwas von ihm in einer ihm unbekannten Sprache. Sie befestigten die losen Enden des Hakennetzes mit hölzernen Pflöcken im Boden. Sie schienen hochzufrieden über ihren Fang, und Ancor dachte darüber nach, daß er nach ihren Standards ein Riese war und außerdem noch ein ausgebildeter Mörder. Die Käfigwelt-Bewohner hatten in der Tat ein Tagwerk vollbracht, auf das sie stolz sein konnten! Der letzte Funke Hoffnung wollte ihn verlassen, als er Sines Aufschrei – »Maq!« – hörte. Die Engelianerin war ebenfalls gefangen. Während der
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