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Die Suche nach der Sonne

Die Suche nach der Sonne

Titel: Die Suche nach der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Kapp
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eine derartige Strahlendosis zu absorbieren, war begrenzt, und die Warnsignale waren nicht zu übersehen. Ancor geleitete Sine in die flüchtigen Schatten, und nach einem letzten bedauernden Blick machten sie sich auf den Abstieg durch die schmerzhafte Dunkelheit zurück zum Tal und zum Schiff. Sie hatten dort oben kein Wort gesagt, und selbst jetzt zögerten sie, den Gefühlen, die in ihnen aufwallten, Ausdruck zu verleihen. Sie waren auf ihrer Reise Zeus begegnet, der Solaria erschaffen hatte, aber Zeus war ein Kunstprodukt, das der Phantasie des Menschen entsprungen war. Jetzt hatten sie mit eigenen Augen die Entität gesehen, die sogar Menschen erschaffen hatte, und in ihrer Sprache gab es keine Worte, die auch nur im entferntesten geeignet gewesen wären, ihre umherwirbelnden Gedanken auszudrücken.
    Schließlich gelangten sie zum Schiff und legten dankbar die Anzüge ab. Die Proto-Sonne war immer noch nicht aufgegangen, also zogen sie sich erschöpft in ihre Koje zurück, aber nicht um miteinander zu schlafen, sondern um dazuliegen und ihren Gedanken nachzuhängen. Vor dem Hintergrund des Streulichts starrte Ancors löwenhaftes Profil an die Kabinendecke, in seinen Zügen spiegelten sich die komplexen Spekulationen wider, denen er nachhing. Sine Anura lag da und sah ihn voll Mitleid an. Sie spürte nur einen kleinen Teil jener Konflikte, die er in Gedanken austrug, dennoch sehnte sie sich mit jeder Faser ihres Körpers danach, ihm zu helfen.
    Als er bemerkte, daß sie noch wach war, faßte er seine Gedanken in Worte. Er erwartete keine Antworten von ihr, er mußte lediglich einen Teil seiner Last mit ihr teilen.
    »Das ist das Zentrum Solarias, Sine. Eine Sonne, ein Stern, oder wie immer du es nennen willst. Aber ist sie nur ein Zufallsprodukt? Gibt es etwa mehr von ihnen? Und wenn es mehr von ihnen gibt, wie viele sind es und wie weit sind sie entfernt? Und wie können wir sie jemals finden?«
    »Eines Tages werden wir es wissen«, sagte sie tröstend.
    »Und Solaria. Ich weiß, daß Solaria nicht unendlich sein kann. Aber wie groß ist es? Und wenn man an die Grenze kommt – was findet man dort draußen? Gibt es dort andere Sonnen und andere Universen? Andere Völker? Mein Gott! Ich fühle mich wie ein Blinder, der gerade herausgefunden hat, daß es jenseits seines Raums weitere Räume gibt, weitere Gebäude, Städte, Länder. Hilf mir, Sine, denn es gibt vieles, was dieser Blinde sehen will.«
    »Ich werde dir helfen, Maq. Aber Verwunderung plagt deine Augen, nicht Blindheit. Was wir gesehen haben, hat dich verwirrt. Und wenn ein Licht untergeht, kommt zuerst eine Zeit der Entspannung, bevor das nächste aufgeht. Ich kann die Lichter nicht beeinflussen, aber ich kann dir ganz bestimmt helfen, dich zu entspannen.«
    Sein großer Kopf drehte sich auf dem Kissen zu ihr, die tierartigen Konturen verloren sich im Schatten. Ihre sanften Finger fanden die Windungen seiner Stirn und strichen über die Falten. Bald darauf war er eingeschlafen.
    Nach und nach verblaßte das großartige Licht der Sonne. Dunkelheit senkte sich über das Tal, und noch immer ging keine neue Proto-Sonne auf. Sine wurde auf ein goldenes Band im Zwischenraum aufmerksam. Die Strahlen der Sonne trafen wahrscheinlich auf die Wand der Höhlung und wurden dann zwischen der Wand und der Käfigwelt hin- und herreflektiert. Das Band schien ihr die alles durchdringende Macht der Sonne zu symbolisieren, deren Licht selbst dann noch einen Weg fand, wenn sie in einer kugelförmigen Kapsel eingesperrt war. Zuversicht erfüllte sie. Plötzlich waren all die Geheimnisse des Lebens in einem goldenen Band vereint, und sie spürte, daß sie Anfang und Ende sehen konnte.
    Die Proto-Sonne ging viel später auf, als Ancor erwartet hatte. Das zwang ihn zu dem Schluß, daß man absichtlich einen der künstlichen Sterne ausgespart hatte, um den prachtvollen Anblick der Sonne nicht zu mindern. Allerdings wagte nicht einmal er darüber zu spekulieren, welcher Architekt in einem derart grandiosen Maßstab geplant hatte.
    Als es ganz hell geworden war, legten sie erneut die Anzüge an und kehrten zu dem Vorsprung zurück, um herauszufinden, ob noch irgend etwas von der Sonne zu sehen war. Die zerklüfteten Gipfel vor ihnen waren unverändert, aber von dem großartigen Sonnenball war nichts mehr zu sehen. Über allem lag nun ein Gefühl der Verlassenheit und Trostlosigkeit, und der vorherige Anblick erschien ihnen wie ein Traum.
    Schließlich kehrten sie wieder zum

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