Die Suche
wirkten im kalten Licht wie eingefroren. Er blinzelte Flocken weg, die sich in seinen Wimpern verfangen hatten, und atmete die trockene, eisige Luft ein. Er fühlte seine Zehen nicht mehr und blickte nach unten. Eine feine Schneeschicht bedeckte seine dünnen Schuhe, die Kälte hatte seine Fußzehen taub werden lassen. Wunderschön und nicht natürlich, denn es schneite ausschließlich über dem See und ihnen. Er müsste nur einen Schritt zur Seite machen, dann würde er im Regen stehen, der kräftige Wind durch seine Haare fegen.
„Imagina“, flüsterte Adam. Der Name wurde von einer Böe in die Nacht getragen.
„Was in aller Welt geht hier vor sich?“ Alexas Stimme zitterte.
„Wir müssen abhauen.“ Adam erwachte aus seiner Bewegungslosigkeit, trat auf Alexa zu.
„Ich nehme dich jetzt huckepack und wir laufen zum Auto zurück.“ Alexa wich zurück.
„Hast du ne Meise? Vor meinen Augen schneit es, ein Typ wollte mich töten und ist dann in den See gesprungen, seine Bodyguards sind nicht viel besser als er und du willst mich dort hin zurückbringen? Ich bin ja ab und zu auch mal verrückt, aber …“ Sie verstummte. Adam stand dicht vor ihr. Unter all dem Blut und Dreck verbarg sich ein hübsches Mädchen, weich und fürsorglich. Er nahm ihre Hand, hob sie an seine Wange und legte seinen Kopf hinein.
Beruhige dich. Ich werde dich retten. Vertrau mir.
Durch ihre Finger spürte er ihre Angst. Sie starrte ihn an, als sei er ein Monster. Ein spontaner Drang sie zu küssen, stieg in ihm empor. Mit einem heiseren Keuchen wandte er sein Gesicht ab, ihre Hand löste sich von ihm. Übrig blieb eine heiße Stelle auf seiner Wange.
„Tut mir leid, Herzblatt. Aber wir müssen wirklich von hier weg.“ Er drehte sich mit dem Rücken zu ihr, trat einen Schritt zurück, so dass sie unsanft gegen ihn stieß, ging etwas in die Knie und schlang seine Arme um ihre Beine. Als er hochkam, hing sie wie ein nasser Sack auf ihm, doch das störte ihn nicht. Für ihn fühlte sie sich an wie eine Feder.
Normalerweise wandte er seine Gabe nicht mehr auf Menschen an. Zuviel Unheil hatte er damit angerichtet, viel zu oft hatte er sie genutzt, um sich an ihnen zu nähren. Seit über hundert Jahren war es das erste Mal und er beruhigte sich selbst, indem er sich einredete, er müsse ihr helfen. Sie funktionierte ohnehin nur bei geschwächten Menschen. Bei Seinesgleichen oder sehr starken Willen, war sie absolut Wirkungslos. Alexa war einfach eingeschlafen, ihr Kopf ruhte auf seinem Schulterblatt.
„Hab Dank, Imagina“, murmelte er, senkte kurz den Kopf in Ehrfurcht und trabte mit seinem Gepäck auf dem Rücken zurück zur Straße. Allzu lange würde Imagina das Winter-Wunderland nicht aufrechterhalten können. Deshalb rannte er, so schnell er konnte.
Am Waldrand ließ er Alexa auf die Erde gleiten und duckte sich ins Gebüsch, um Utz und Roderick zu beobachten. Sie übten sich in Karate, um sich die Zeit zu vertreiben, lachten, wenn einer von ihnen durch den Stoß des anderen hart auf dem Boden aufkam, und rangelten sich kurz darauf.
„Diese dummen Spielkinder“, knurrte er, warf einen raschen Blick auf Alexa und versicherte sich, dass sie noch gebannt war und sie nicht eher aufwachen würde, bis er zurückkäme. Wann hatte Adam diese Gabe zum ersten Mal gespürt? War es der Moment gewesen, an dem er sich schwor, niemals wieder dem Blut der Menschen zu verfallen? Hatte er es von Imagina als Geschenk bekommen, da er seine reine Seele verloren hatte? Als kleines Trostpflaster? Imagina. Sie hatte ihn erneut gerettet. So wie damals, als er geglaubt hatte, Jesus würde vom Kreuz zu ihm hinabsteigen. Noch immer wusste Adam nicht, ob Imagina sein rettender Jesus war. Vielleicht gefiel ihm einfach der Gedanke daran, dass sie ihn trotz verbannter Seele nicht aufgegeben hatte.
Adam zwang seine Konzentration auf die beiden Männer am Auto. Er kam in die Hocke, stieß sich ab und überbrückte mit einem Sprint die Distanz zu den anderen.
Adrenalin versetzte ihn in die notwendige Anspannung, als er Utz auf den Rücken hechtete, seinen Arm um den bulligen Nacken legte und seinen Bizeps anspannte.
„Wie schmeckt dir das, du Arschloch, wenn du einen ebenbürtigen Gegner hast, hm?“ Utz zappelte, würgte, konnte seinen Oberkörper nicht drehen. Hinter sich spürte Adam einen Luftzug. Er trat nach hinten und traf Roderick am Kinn. Während er noch den Kragen des dicken
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