Die Suche
ihm entgegen streckten. Er griff zu und ließ sich an Deck ziehen. Dort ging er in die Knie und erbrach einen Schwall Salzwasser.
Jemand reichte ihm eine Decke. Es war der Wandler. Adam wich seinem Blick aus und sah sich nach dem geretteten Schiffbrüchigen um. Smoking, schwarze Haare, die Fliege hatte sich gelöst und hing nur noch schief an seinem Kragen. Dunkles Blut lief ihm aus einer Platzwunde an der Stirn. Es sah so aus, als hätte es eine Rangelei auf den Rettungsbooten gegeben, vermutete Adam. Der Mann hatte sich sicherlich an den dicken Tauen festgekrallt.
„Moment. Das ist er! Der gesuchte Ehemann.“ Die anderen blickten ihn verständnislos an.
„Seine Frau sucht ihn. Bei Gott, ich habe ihren Mann gerettet.“ Tränen schossen ihm in die Augen und als der Wandler ihm eine weitere Decke über die Schultern legte und ihn in den Arm nahm, ließ Adam es geschehen.
„Trink das.“ Adam nippte vorsichtig. Heißer Tee mit Rum. Der Alkohol rann seine Kehle hinab, brannte im Brustkorb und wärmte ihn von innen, lockerte die Muskeln. Er stöhnte erleichtert, trank den Becher leer, leckte sich über die Lippen. Der Gestaltwandler stand vor ihm, lächelte verhalten und nahm ihm den Becher aus der Hand.
„Noch einen?“ Adam schüttelte den Kopf. Langsam wurde ihm warm. Man hatte ihn ins Innere gebracht, wo nun dichtes Gedränge herrschte.
„Wer bist du?“
„Du bist ein Held, weißt du das?“, entgegnete der Wandler, anstatt ihm eine Antwort zu geben. Sein Blick glitt zu dem Schiffbrüchigen, den Adam aus dem Atlantik gezogen hatte. Man hatte ihm auf dem Boden des improvisierten Casinos ein Lager bereitet und ihn in Decken gepackt. Seine Frau kniete bei ihm, das Baby an sich gepresst, und hielt seine Hand. Er war wieder bei Bewusstsein, denn er hob seine Hand, strich seiner Ehefrau über die Wange, sein Blick ruhte zärtlich auf dem Baby. Einer der Männer deutete auf Adam und sprach mit sichtlicher Aufregung auf das Ehepaar ein. Die Frau lächelte ihm dankbar zu. „Danke“, formte sie mit den Lippen, Tränen rollten ihr übers Gesicht. Adam nickte.
„Du hast meine Frage nicht beantwortet", sagte er leise zu dem fremden Gestaltwandler. "Du bist ein Wandler, nicht wahr?“ Der junge Mann stimmte zu.
„Und du ein Werwolf“, stellte er fest, sein jugendliches Grinsen breitete sich über sein Gesicht aus.
„Johannes. Kannst Jo zu mir sagen. Ich weiß nicht, ob ich mich freuen soll, dich kennen zu lernen, aber nach der Aktion vermute ich, bist du kein normaler Werwolf, hm?“ Er plauderte mit ihm, als würden sie über das Wetter diskutieren.
"Nicht hier drin, wo alle es hören können", knurrte er, zog sich die Decke enger um die Schultern und schob mit der freien Hand Jo nach draußen.
„Hey…“, protestierte er, folgte ihm aber.
Draußen traten sie an die Reling. Adam ließ den Blick über das Meer gleiten. Der Horizont färbte sich bereits grau, und irgendwo da draußen war ein Schiff versunken und hatte viele hundert Menschen mit ins Grab genommen.
„Tötest du mich?“, fragte er nüchtern. Jo lachte.
„Ich dich? Damit ich meine reine Seele wegwerfe? Bist du verrückt? Aber das gleiche könnte ich dich fragen.“
„Warum? Welches Interesse hätte ich daran, dich zu töten?
Jo tippte mit seinem Zeigefinger auf seine Brust. „Nun, du bist ein Werwolf. Sag du es mir.“ Er schüttelte den Kopf, drehte sich zur Reling. Das Schiff hatte wieder Fahrt aufgenommen, die Wellen schlugen klatschend gegen den Bug.
„Ich weiß es nicht“, flüsterte er in den Fahrtwind, „ich weiß es nicht. Ich glaube, ich will einfach nicht mehr töten.“ Jo trat neben ihn, hob den Kopf an und schnupperte.
„Nun, wenn du es nicht weißt… Komm, lass uns etwas trinken.“ Jo berührte seinen Arm. Er wandte sich ihm zu, grinste nun auch und folgte ihm nach drinnen.
„Wie heißt du denn nun, Werwolf?“
„Adam, mein Name ist Adam.“
17. Kapitel
Essex - Birch Parc, Herbst 2012
« Bist du auch einer von diesen kranken Arschlöchern? »
Dichte Schneeflocken schwebten auf ihn nieder, landeten auf seiner Nase und kitzelten ihn. Die eisige Luft umwehte ihn, es roch plötzlich nach Winter, und als Adam sich langsam umdrehte, betrachtete er staunend den See, der vor ihnen lag. Knirschend gefror er vor ihren Augen zu einer spiegelglatten Oberfläche. Der Schnee wirbelte über die Eisfläche, selbst die Bäume
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