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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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spürte Percys warme Hände auf seinen Schultern. Im ersten Moment sträubte er sich, doch dann ließ er zu, dass ihn Percy vom Fenster fortzog und ihn an sich drückte, Körper an Körper.

    »Ich möchte nicht, dass es dir leidtut, dass du es mir erzählt hast«, sagte ihm Percy leise ins Ohr. »Bitte.«
    »Nein«, murmelte er, doch er wusste nicht, ob es ihm leidtat oder nicht. Im Augenblick wünschte er, er hätte geschwiegen, jedoch nur, weil davon zu sprechen bedeutete, wieder daran zu denken. Er hatte das Geheimnis so lange unter Verschluss gehalten… Ihm war jedoch nicht klar gewesen, dass er es nicht nur in seinem Kopf vergraben hatte, sondern in jeder Faser seines Körpers. Seine Gelenke schmerzten, als würde er langsam zerrissen.
    »Du frierst; du wirst noch krank. Komm ins Bett.«
    Er ließ zu, dass ihn Percy ins Bett steckte und ihm die Decke bis zum Kinn hochzog. Er schloss gehorsam die Augen, als es ihm aufgetragen wurde, und lauschte den Geräuschen, mit denen Percy das Feuer entzündete, Holz auflegte, den Nachttopf benutzte. Dann öffnete er sie wieder, als er hörte, wie Percy das Eis im Wasserkrug brach und Wasser in die Blechtasse füllte, die er benutzte, um das Wasser für seine Rasur zu erwärmen.
    »Wohin gehst du?«, wollte er wissen. Percy wandte sich vom Kamin ab und lächelte ihm zu. Seine Haare standen in alle Himmelsrichtungen ab, und mit den Bartstoppeln sah sein Gesicht dunkel und verwegen aus.
    »Es gibt Leute, die für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen, mein Teuerster«, sagte er. »Und ich weiß aus berufener Quelle, dass man mich unehrenhaft entlassen - wenn nicht sogar an den Daumen aufknüpfen und auspeitschen - wird, wenn ich mich nicht um neun Uhr in bester Ordnung mit meinen Kompanien auf dem Platz einfinde.«
    »Das stimmt - muss ich nicht um neun Uhr deine Kompanien inspizieren?« Grey setzte sich hin, doch Percy winkte ihn auf das Kissen zurück.
    »Da es aber noch früh ist und du nichts anderes zu tun hast, als dich zu rasieren, dich anzuziehen und dann gemütlich zum Exerzierplatz zu spazieren, kannst du dir, glaube ich, noch Zeit lassen.« Percy ergriff die Blechtasse und beugte sich vor, um in seinen winzigen Rasierspiegel zu spähen, dann trug er
mit vor Konzentration halb geöffnetem Mund den Schaum auf.
    Grey legte sich langsam zurück und sah zu, wie Percy sich rasierte und ankleidete, zielsicher und flink. Eine Spur von Percys Körperwärme hing noch in der Bettwäsche; sie taute ihn langsam auf, und er spürte, wie sich große Müdigkeit über ihn stahl. Sein Verstand fühlte sich breiig und empfindlich an wie eine Frucht mit einer Druckstelle.
    Im Zimmer war es immer noch dunkel. Er konnte Percys Atem sehen, als sich dieser bückte, um seine Stiefel anzuziehen, und dann seinen Mantel schloss.
    Als auch seine Perücke korrekt saß, trat Percy an das Bett und blickte auf ihn hinunter.
    »Meinst du, sie hat es gewusst? Wer es war?«
    »Mit Sicherheit nicht«, sagte Grey, so bestimmt er konnte.
    Percy nickte, dann beugte er sich über ihn und küsste ihn auf die Stirn.
    »Versuch zu schlafen«, sagte er. »Die Glocken wecken dich schon.«
    Er ging und schloss die Tür sanft hinter sich.
    Die Wärme hatte Grey jetzt ganz umschlossen, obwohl seine Nasenspitze so kalt war, als hielte er sie noch an das Fenster gepresst. Er fühlte sich unbeweglich, denn die Erschöpfung eines langen Tages und einer schlaflosen Nacht lastete schwer auf ihm - doch er wusste, dass er nicht schlafen würde, Glocken oder nicht.
    Er würde noch einmal mit Jamie Fraser sprechen müssen.

VIERTER TEIL
    Das Regiment erwacht

20
    Die ihr euch Jakobiten nennt
    HELWATER
Im Lake District
     
    Er verbrachte so viel Zeit, wie es die Höflichkeit erforderte, mit den Dunsanys, bevor er entdeckte, dass er etwas, was er brauchte, in seiner Satteltasche vergessen hatte.
    »Nein, nein - ich hole es selbst. Es dauert nicht lange.« Er verhinderte, dass Lady Dunsany einen Bediensteten herbeiklingelte, und ehe sie ihm widersprechen konnte, hatte er die Bibliothek schon verlassen.
    Sein Herz schlug schneller, als er sich dem Stall näherte, doch diesmal lag es ausnahmsweise nicht an der körperlichen Gegenwart Jamie Frasers.
    Die Abendfütterung war vorüber; der Stall war von friedlichen Kaugeräuschen und dem Duft nach frisch zerkleinertem Heu erfüllt. Ein oder zwei Pferde hoben die Köpfe, um ihn anzusehen, und die Heuhalme hingen ihnen dabei aus den mahlenden Kiefern. Doch die meisten ignorierten

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