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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ihn und hielten die Nasen unbeirrbar in ihren Futterkrippen vergraben.
    Fraser mistete am anderen Ende des Stalls eine Box aus. Die große Schiebetür stand offen, und er war als Umriss vor dem schwindenden Licht des blassen Frühlingshimmels zu sehen. Er musste Greys Schritte auf dem Ziegelboden hören, unterbrach aber den Rhythmus seiner Arbeit nicht.
    Als Grey zu ihm trat, hielt er inne und richtete sich auf. Es war kalt im Stall, doch sein Kinn war mit einem Schweißfilm überzogen, und das Leinenhemd klebte ihm an den Schultern. Er roch nach frischem Schweiß.

    »Ist löchrig«, sagte Grey abrupt. »Ihr habt gesagt, er ›ist löchrig‹.«
    Fraser stellte die Mistgabel hin, wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht und betrachtete ihn fragend.
    »Daran kann ich mich zwar nicht erinnern, Major, aber es kann schon sein - die Wörter sind mir durchaus vertraut.«
    »Als Ihr bei unserer letzten Begegnung vom Hof der Stuarts gesprochen habt«, erläuterte Grey. »Ihr habt gesagt, und ich zitiere, er ›ist löchrig wie ein Sieb‹. Ich bin überzeugt, dass Ihr hinreichend mit den Gepflogenheiten der Grammatik vertraut seid, um das Präsens korrekt anzuwenden, Mr. Fraser.«
    Fraser zog eine seiner dichten roten Augenbrauen hoch, doch in seinem Gesicht regte sich nicht der leiseste Funke von Besorgnis. Grey seufzte.
    »Er ist löchrig wie ein Sieb«, wiederholte er. »Woher wisst Ihr das, wenn Ihr nicht mit jemandem in Verbindung steht, der zu diesem Hof gehört?«
    Fraser rieb sich mit dem Finger unter der Nase und musterte ihn, dann machte er sich kopfschüttelnd wieder an die Arbeit.
    »Euch wird noch der Kopf platzen, Major, wenn ihr nicht aufhört, so viel zu denken«, sagte er nicht unfreundlich. Er schob die Mistgabel unter einen Haufen strohverklebter Pferdeäpfel und hievte den Mist zur offenen Tür hinaus. »Ihr wisst ganz genau, dass die Bedingungen meines Aufenthalts hier so etwas nicht gestatten.«
    So war es; Grey hatte diese Bedingungen selbst geschrieben, und Fraser hatte sie unterzeichnet. Er erinnerte sich noch lebhaft daran; es war das erste - aber nicht das letzte - Mal gewesen, dass er sich sicher war, dass nur die Gegenwart der bewaffneten Wachen Fraser daran hinderte, ihm den Hals zu brechen.
    An der ironischen Miene des Schotten erkannte er, dass auch er sich an diese Gelegenheit erinnerte.
    »Und wenn ich nicht Ehrenmanns genug wäre, um mich an diese Bedingungen zu halten, Major«, fügte er gleichmütig
hinzu, »wäre ich eine Woche nach meiner Ankunft hier in Frankreich gewesen.«
    Grey verzichtete darauf, offen zu bezweifeln, dass es einem Menschen von Frasers auffallendem Aussehen möglich sein würde, sich unbemerkt auf den Straßen zu bewegen oder fünfzig Meilen offener Hügellandschaft ohne Mantel, Nahrung oder Unterschlupf zu überqueren - nicht zuletzt, weil er überzeugt war, dass dieser Mann es hätte schaffen können.
    »Ich würde Euch nie unterstellen, Euer Ehrenwort gebrochen zu haben, Mr. Fraser«, sagte Grey und stellte zu seiner Überraschung fest, dass es die Wahrheit war. »Ich entschuldige mich, falls meine Frage nach einer solchen Unterstellung geklungen hat.«
    Fraser kniff die Augen zu.
    »Entschuldigung angenommen, Major«, sagte er ein wenig schroff. Er hielt inne, packte die Gabel, als wollte er mit der Arbeit fortfahren, doch dann entspannten sich seine Schultermuskeln.
    »Ich habe gesagt, der Hof der Stuarts ist löchrig wie ein Sieb, Major, weil sowohl König James als auch sein Sohn noch am Leben sind und sich nach wie vor mit denselben Männern umgeben. Soweit ich das wissen kann«, fügte er mit einer Spur trockenen Humors hinzu.
    »Ihr glaubt nicht, dass sie aufgegeben haben?«, fragte Grey, der die Wortwahl »König James« geflissentlich überhörte. »Sie können doch keine Hoffnung mehr haben -«
    »Nein, sie haben keine Hoffnung, und nein, sie haben nicht aufgegeben«, unterbrach ihn Fraser, und der ironische Unterton wurde deutlicher. »Sie sind Schotten, auch wenn sie im Schatten des Petersdoms leben. Sie werden erst aufhören, auf Umsturz zu sinnen, wenn sie tot sind.«
    »Ich verstehe.« So war es tatsächlich. Achtzehn Monate als Gefängnisverwalter von Ardsmuir hatten ihn hinreichend mit dem Charakter der Schotten vertraut gemacht. Kaiser Hadrian hatte gewusst, was er tat, dachte er; zu dumm, dass die späteren Regenten Englands nicht genauso klug gewesen waren.

    Mit diesem Gedanken im Hinterkopf wählte er seine Worte mit großer

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