Die Sünde der Brüder
im Regiment eine Seuche ausgebrochen war, die die meisten anderen hohen Offiziere vorübergehend kampfunfähig gemacht hatte.
»Ist Hauptmann von Namtzen ebenfalls erkrankt?«, fragte Grey, während er insgeheim das Gesicht des Mannes bewunderte. Mit seinen tief liegenden blauen Augen und dem sinnlichen Mund sah er aus wie ein Engel, der sich anzügliche Gedanken machte.
Weber schüttelte den Kopf, und ein kleines Stirnrunzeln störte die Perfektion seiner Züge.
»Leider nein.«
»Leider?«, wiederholte Grey überrascht.
»Der Hauptmann hat im Spätherbst einen Unfall erlitten«, erklärte Weber. »Nicht mehr als ein Kratzer, auf der Jagd - aber es hat zu schwären begonnen, und er hat eine Blutvergiftung bekommen, sodass die Ärzte ihn abnehmen mussten.«
» Was abnehmen mussten?«
»Oh, Verzeihung, ich habe mich nicht deutlich ausgedrückt.« Weber verneigte sich entschuldigend, und Grey fing einen Hauch seines Parfums auf, ein warmer, würziger Duft. »Es war sein Arm, den er verloren hat. Sein linker Arm«, fügte er im Sinne strikter Genauigkeit hinzu.
Grey schluckte erschrocken.
»Ich bedaure sehr, das zu hören«, sagte er. »Der Hauptmann - ist er auf dem Weg der Besserung?«
»Oh, ja«, versicherte ihm Weber und wandte dann den Kopf, weil ein Gongschlag den Männern signalisierte, ihre Plätze einzunehmen. »Er hält sich in seinem Jagdhaus auf. Wahrscheinlich wird es ihm in einem Monat gut genug gehen, um sich dem Feldzug anzuschließen. Das hoffen wir jedenfalls.« Sein Blick ruhte freundlich auf Grey. »Vielleicht sehen wir uns bald wieder?«
Grey nickte und machte sich auf die Suche nach Hal. Die Neuigkeit über von Namtzen hatte ihn bestürzt, doch er war froh zu hören, dass es Stephan zumindest besser ging. An der
Rathaustür hob eine Phalanx von Trompetern ihre Instrumente und blies einen Salut, der die von der Decke hängenden Banner flattern ließ und die feierliche Ankunft Herzog Ferdinands verkündete.
»Nun denn, jetzt gibt es kein Entrinnen mehr«, murmelte Hal und beobachtete den Bediensteten, der ihm sein Glas für den ersten Trinkspruch füllte.
»Auf unseren ruhmreichen Sieg!«, sagte sein Nebenmann strahlend auf Deutsch.
»Darauf, dass wir gleich noch in der Lage sein werden, ohne fremde Hilfe nach Hause zu gehen«, erwiderte Hal mit einem herzlichen Lächeln auf Englisch.
Im Allgemeinen resultierte der Ball in dem gewünschten Ergebnis - dass die Kommandeure einander vorgestellt wurden und ein Gefühl vereinter Großartigkeit und Unbesiegbarkeit entstand. Seine zweite Konsequenz war zu erwarten gewesen, nachdem drei Stunden lang ein Trinkspruch nach dem anderen ausgebracht worden war und es undenkbar unhöflich gewesen wäre, während dieser Zeit den Tisch zu verlassen.
Grey fühlte sich allmählich ernstlich unwohl und gelangte schon zu der Überzeugung, dass Tom ihn doch vergessen hatte, als er spürte, dass sich der Bedienstete, der hinter seinem Stuhl stand, kurz zur Seite wandte und sich dann über seine Schulter beugte, um ihm etwas ins Ohr zu murmeln.
»Ich habe mir erlaubt, Euch eine große Flasche unter den Stuhl zu stellen, Sir.«
»Danke«, sagte Grey aufrichtig erleichtert. Er grinste Hal über den Tisch hinweg zu - auch sein Bruder sah ein wenig angespannt aus, obwohl er tapfer den Anschein wahrte. »Für meinen Bruder bitte ebenfalls eine, ja?«
Es war weit nach Mitternacht, als das Abendessen vorüber war und die Kommandeure und hohen Offiziere der alliierten Hannoverschen Armee in die kühle Frühlingsnacht hinauswankten. Die meisten von ihnen hielten im Laufschritt auf die nächste Mauer oder einen Baum zu.
Die Greys, die das nicht nötig hatten, schlenderten mit süffisanter
Sorglosigkeit durch die dunklen Straßen auf das Wirtshaus zu, in dem sie einquartiert waren, und unterhielten sich wahllos über den Abend, die Persönlichkeiten, denen sie begegnet waren, und die persönliche Meinung, die sie über den Werdegang, die Fähigkeiten und die zu erwartende Effektivität besagter Persönlichkeiten hegten.
Grey war von einem angenehmen Wohlgefühl erfüllt, das reichlichem Alkoholgenuss entsprang, und von erwartungsvoller Vorfreude auf den kommenden Feldzug. Es war zwar wahr, dass ihm und Percy die Intimität, die sie in London genossen hatten, hier nicht möglich sein würde - doch sie würden in der Nähe des anderen sein, gemeinsame Abenteuer erleben und Gesinnungskameraden sein. Was die körperliche Kameradschaft betraf … Nun, hin und wieder
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