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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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wieder. Oder -«
    »Ich bin nicht heruntergefallen«, unterbrach Grey ihn beleidigt. »Das Pferd ist bei der Landung ausgerutscht und auf mich gefallen.«
    »Nun, Euren Kleidern war es jedenfalls nicht sehr zuträglich, Mylord«, sagte Tom streng. Er beugte sich noch einmal zu ihm herüber, hauchte kräftig auf einen Silberknopf und polierte ihn wie besessen mit seinem Ärmel.

    Grey sah in der Tat glänzend aus. Sein Haar war zu einem festen Zopf geflochten, um ein Polster aus Lammwolle gewunden und gepudert. Mit seinen polierten Stiefeln und Knöpfen, seinem glänzenden Schwertknauf und seiner blanken Offiziershalsberge war er der Inbegriff eines britischen Offiziers. Allerdings war das alles mehr oder minder vergebene Liebesmüh; niemand würde einen britischen Offizier beachten, wenn der Raum voller Preußen und Hannoveraner war, deren Offiziere, selbst wenn sie nicht königlichen oder adeligen Geblütes waren, eine Vorliebe dafür hatten, sich mit Goldtressen, Stickereien und Federn zu schmücken. Grey stand reglos da und wagte kaum zu atmen, während Tom um ihn herumschlich und nach weiteren Stellen suchte, an die er womöglich Hand anlegen musste.
    »Oh, ich möchte auch auf den Ball«, sagte Percy spöttisch.
    »Nein, das möchtest du nicht«, versicherte ihm Grey. »Der halbe Abend wird aus aufgeblasenen Reden bestehen, und dann folgt ein endloser Aufmarsch von gebratenen Fasanen im Federkleid, vergoldeten Forellen und ähnlichen glorreichen Ungenießbarkeiten.«
    Eigentlich hätte er es vorgezogen, in seinem Zelt mit Tom und Percy Eier und Bohnen zu essen. Normalerweise wäre ein bloßer Major auch nicht zu dem Abendempfang eingeladen gewesen, der zur Feier der frisch aus der Taufe gehobenen alliierten Hannoverschen Armee unter Seiner Durchlaucht Herzog Ferdinand von Braunschweig begangen wurde.
    Hal musste natürlich gehen, nicht nur als Graf - obwohl englische Grafen kleine Fische waren im Vergleich mit den Markgrafen, Landgrafen, Kurfürsten und Prinzen, die dem Ball beiwohnen würden -, sondern zudem als Oberst seines Regiments. Grey war eingeladen, weil er Meltons Bruder war, aber auch, weil er der diensthabende Oberstleutnant des Regiments war, nachdem sich der Offizier, der dieses Amt normalerweise bekleidete, auf halber Strecke über den Kanal eine Lebensmittelvergiftung zugezogen hatte. Da es nicht anging, dass Hal ohne Begleitung in solch erlauchter Gesellschaft erschien,
und sich Ewart Symington krankgemeldet hatte - Symington sprach kein Deutsch und hasste gesellschaftliche Anlässe -, waren Grey und seine beste Uniform zwangsverpflichtet worden.
    »Bist du fertig?« Hal steckte fragend seinen ebenfalls gepuderten Kopf herein.
    »Absolut«, sagte Grey und richtete sich auf. »Tom, Ihr vergesst doch die Flaschen nicht?«
    »Oh, nein, Mylord«, versicherte ihm Tom. »Ihr könnt auf mich zählen.«
    »Nun denn.« Er hielt seinem Bruder den Ellbogen entgegen und verbeugte sich. »Wollen wir tanzen?«
    »Esel«, sagte Hal, jedoch gutmütig.
    Das Fest, das im betagten Rathaus abgehalten wurde, verlief genauso, wie Grey es vorausgesagt hatte - endlos lang, so langweilig, dass einem die Augen tränten, und begleitet von einer schier endlosen Speisenfolge: Schweinebraten, gekochtes Rindfleisch, Hammel in Sauce, gebratene Fasanen, gedünstete Wachteln, gegrillter Fisch, Eier in Aspik und im Teigmantel, Schalentiere in Suppe, im Teig und in der Schale, dazu diverse Häppchen, Punschgetränke und Süßspeisen. Das Ganze serviert auf einer Phalanx von Silbertellern, die zum Kauf eines kleinen Landes ausgereicht hätten, und heruntergespült mit fassweise Wein, mit dem vom Preußenkönig Friedrich über König George von England und Herzog Ferdinand bis - da war sich Grey gewiss, auch wenn an diesem Punkt niemand mehr genug zuhörte, um es mit Sicherheit zu sagen - hin zum Küchenkater auf alles und jedermann angestoßen wurde.
    Die deutschen Offiziere boten in der Tat einen prachtvollen Anblick. Vor allem fiel ihm ein hochgewachsener, blonder junger Hannoveraner ins Auge, der die Uniform des Regiments seines Freundes von Namtzen trug - obwohl von Namtzen selbst nirgendwo in Sicht war. Es gelang ihm, sich vor dem Abendessen mit dem jungen Leutnant zu unterhalten - schließlich fragte er sich insgeheim, was der Mann auf einem solchen Ball zu suchen hatte -, und er erfuhr, dass der Name des jungen
Mannes Weber lautete und er als Adjutant eines höheren Offiziers aus von Namtzens Infanterieregiment hier war, da

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