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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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er zur offenen Tür gewandt, wo ihm Mr. Holmes, der Steward des Clubs, erwartungsvoll entgegensah.
    Holmes verschwand prompt, und sein Ruf: »Keine weiteren Wetten mehr, meine Herren!«, klang durch das Haus.
    In Sekundenschnelle war der Liegende von einer wahren Menge neugieriger Wetter umringt, die nach wie vor diskutierend in den Schnee hinaustraten.
    »Was meinst du?«, murmelte Grey Hal zu. Er zog die Nase hoch, konnte aber in der Mischung aus Rauch, Kaffee und Essen, die ihm aus dem Club entgegenwehte, keinen Geruch ausmachen, der ihm den Tod des Mannes verraten hätte. »Zehn zu eins, dass er noch lebt«, sagte er unwillkürlich.
    »Du weißt doch, dass ich höchstens beim Kartenspiel wette«, erwiderte Hal leise. Dennoch behielt er seine Position in der ersten Reihe inne und beobachtete genauso neugierig wie die anderen Wettenden, wie einer der Wachmänner dem Mann vorsichtig die Perücke aus dem Gesicht hob.
    Schweigen begleitete den Moment, als sein Gesicht zum Vorschein kam, grau und schlaff wie frischer Ton, die Augen geschlossen. Der Wachmann beugte sich dicht über ihn und umfasste seinen offen stehenden Unterkiefer, dann fuhr er auf.
    »Er lebt! Er hat auf meine Hand geatmet!«
    Sofort brachen Stimmengetöse und hektische Geschäftigkeit unter den Anwesenden aus. Mehrere Männer traten hastig herbei, um das Opfer aufzuheben und in den Club zu tragen, während andere nach heißem Kaffee, einem Arzt oder Brandy riefen. Hatte der Mann eine Brieftasche, Papiere? Wo blieb der Arzt, zum Kuckuck?
    Ein hochgewachsener, grauhaariger Mann kam in Hemdsärmeln
aus dem Kartenzimmer und zog ein finsteres Gesicht über die Unterbrechung.
    »Wer braucht einen Arzt?«
    »Oh, da seid Ihr ja, Longstreet. Euer Patient, Sir.« Hal begrüßte den Arzt, den er offensichtlich kannte, und wies auf den Mann mit dem Militärmantel, der auf eine Couch gebettet worden war und jetzt von denselben Männern, die noch vor wenigen Minuten auf sein Ableben gewettet hatten, rührend umsorgt wurde.
    Doktor Longstreet verzog das Gesicht und krempelte seine Ärmel auf.
    »Aha. Verstehe. Verschwindet alle hier. Holmes - seid so freundlich und holt mir eine Schüssel aus der Küche.« Er zog ein klappbares Aderlassmesser aus seiner Tasche und öffnete es mit einer geübten Handbewegung.
    Mr. Holmes zögerte.
    »Ihr habt aber nicht vor, hier… eine Schweinerei anzurichten, oder? Wir haben die Couch gerade erst neu aufpolstern lassen.«
    Longstreet grinste den Steward humorlos an.
    »Ich werde ihn zur Ader lassen, ja - aber ich werde mich bemühen, Euren Damast nicht zu ruinieren. Schüssel!«
    Grey, der ihm am nächsten stand und nicht zimperlich war, half ihm, den Mann - der sowohl hochgewachsen als auch kräftig war - anzuheben und ihm die Überkleider auszuziehen. Die Augenlider des Mannes zuckten kurz, und seine Lippen bewegten sich, doch dann sank er in die Bewusstlosigkeit zurück und regte sich nicht einmal, als Longstreet seinen entblößten Arm ergriff und ihm unterhalb des Ellbogens einen Schnitt versetzte.
    Blut plätscherte in die Schüssel, und einer der Zuschauer ging rasch ins Freie, wo man durch die nach wie vor offene Tür hören konnte, wie sich jemand übergab. Mr. Holmes warf einen verzweifelten Blick auf das Blut, das auf den Teppich gespritzt war, und ging hinaus, dem Mann Beistand zu leisten.
    »Ihr habt nicht zufällig Ammoniaksalz dabei, oder?«, fragte
Longstreet Grey und betrachtete den Bewusstlosen stirnrunzelnd. »Ich hatte gehofft, dass ihn der Blutfluss wiederbeleben würde, aber …«
    »Mein Bruder hat welches. Einen Moment.« Hal hatte sich in das Kartenzimmer zurückgezogen, gemeinsam mit den meisten anderen Mitgliedern, die sich nicht mehr für den Gegenstand ihrer Wette interessierten, jetzt, da diese gewonnen oder verloren war. Grey ging hinein und kehrte rasch mit Hals emaillierter Schnupftabakdose zurück, die keinen Schnupftabak preisgab, wenn man sie öffnete, sondern eine kleine verkorkte Phiole mit Riechsalz.
    Dr. Longstreet nahm sie mit einem dankbaren Kopfnicken entgegen, zog den Korken heraus und schwenkte das Fläschchen dicht unter der Nase des Mannes.
    »Warum hat denn Euer Bruder - Melton ist doch Euer Bruder, oder? Die Ähnlichkeit ist deutlich - warum trägt er Riechsalz bei sich?«
    »Ich glaube, seine Frau leidet unter Ohnmachtsanfällen«, sagte Grey beiläufig. Tatsächlich litt Hal selbst hin und wieder an Schwindelanfällen. Nachdem er einmal an einem heißen Tag auf dem Exerzierplatz

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