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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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davon erzählt?
    »Er ist Invalide«, erwiderte Quarry prompt. »Hat in der Schlacht von Zorndorf einen Lungendurchschuss erlitten; wie ich höre, ist es schlimm.«
    »Ah. Wie bedauerlich«, sagte er mechanisch, doch seine Anspannung ließ ein wenig nach. Dann stellte Longstreet also keine Bedrohung dar - wenn dies überhaupt je so gewesen war. Grey hätte ihn gern besucht, um sich mit ihm zu unterhalten, doch Hal hatte zweifellos nichts Dringliches an der Sache gefunden und wollte gern warten, bis er selbst vom Feldzug zurück war.
    »Ihr habt gesagt, zwei Dinge.« Er sammelte sich abrupt. »Was war denn das zweite?«
    Quarry warf ihm einen Blick voller Mitgefühl zu, obwohl sein Tonfall schroff war.
    »Sie haben Wainwright nach England zurückgebracht. Das Datum für das Kriegsgericht steht noch nicht fest, aber es wird bald sein. Wahrscheinlich Anfang Oktober. Ich dachte, das solltet Ihr wissen«, fügte Harry ein wenig sanfter hinzu.
    Es war warm im Zimmer, doch Greys Arme überzogen sich mit einer Gänsehaut.
    »Danke«, sagte er. »Wo … wo ist er jetzt, wisst Ihr das?«
    Harry zuckte mit den Achseln.
    »Irgendein kleines Provinzgefängnis in Devonshire«, sagte er. »Aber für den Prozess wird er wahrscheinlich nach Newgate verlegt.«
    Grey hätte sich gern nach dem Namen der Ortschaft in
Devonshire erkundigt, tat es aber nicht. Besser, wenn er es nicht wusste.
    »Ja«, sagte er und kämpfte sich hoch, um Harry zur Tür zu begleiten. »Ich - danke, Harry.«
    Quarry schnitt eine Grimasse, die ein Lächeln sein sollte, setzte sich mit einer ausladenden Handbewegung den Hut auf und ging.
    »Geht es Euch gut, Mylord?« Tom, der seit Crefeld nie mehr als zwei Meter von seiner Seite gewichen war, kam mit seiner Armschlinge herein und betrachtete Grey mit besorgter Miene. »Oberst Quarry hat Euch ermüdet. Ihr seht wirklich blass aus.«
    »Was Ihr nicht sagt«, erwiderte Grey knapp. »Ich bin seit drei Wochen nicht mehr vor der Tür gewesen. So«, sagte er von plötzlichem Wagemut ergriffen. »Ich werde einen Spaziergang machen. Legt mir die Schlinge an und holt mir bitte meinen Umhang, Tom.«
    Tom öffnete den Mund, um zu protestieren, schloss ihn aber angesichts von Greys Miene wieder und seufzte.
    »Sehr wohl, Mylord«, sagte er resigniert.
    »Und kommt nicht auf die Idee, mir zu folgen!«
    »Gewiss nicht, Mylord«, sagte Tom und befestigte die Schlinge mit etwas mehr Nachdruck als unbedingt notwendig. »Ich werde einfach warten, bis Euch der Lumpensammler nach Hause bringt, nachdem er Euch auf der Straße aufgelesen hat, recht so?«
    Das brachte Grey immerhin zum Lächeln.
    »Ich werde aus eigener Kraft nach Hause kommen, Tom, das verspreche ich.«
    »Pah«, sagte Tom.
    »Habt Ihr gerade ›Pah‹ gesagt?«, erkundigte sich Grey ungläubig.
    »Gewiss nicht, Mylord.« Er legte Grey schwungvoll den Umhang um die Schultern. »Viel Spaß auf Eurem Spaziergang, Mylord«, sagte er höflich und stampfte hinaus.
    Diese Unterhaltung verlieh Grey genug Auftrieb, um es bis
zum Rand des Hyde Parks zu schaffen, wo er sich an ein Geländer lehnte und abwartete, bis er wieder zu Atem kam. Die Wunden in seiner Brust waren gut verheilt, doch bei jeder Anstrengung bekam er das Gefühl, dass seine Lunge nach wie vor mit glühenden Metallsplittern übersät war und sich jeden Moment mit Blut füllen könnte.
    Anfang Oktober. Ein Monat. Vielleicht weniger. Er war so sehr mit seinem eigenen Überleben beschäftigt gewesen, dass es ihm gelungen war, eine Weile an nichts anderes zu denken. Und Minnie, Olivia und Tom hatten sich die größte Mühe gegeben, ihn von allem abzuschirmen, das ihn hätte aufregen können; falls Hal Percy in einem seiner Briefe erwähnt hatte , war er sich sicher, dass Minnie ihm diese Neuigkeit sorgfältig verschwiegen hatte.
    Er holte vorsichtig Luft, holte tiefer Luft, lauschte auf rasselnde Geräusche in seiner Brust, doch es gab keine. Nun denn. Er richtete sich auf und löste sich von dem stützenden Geländer. Sein Arm pulsierte trotz der Schlinge, doch er achtete nicht darauf. Er hatte keine Ahnung, was ihn im Oktober erwartete, doch wie er Tom versprochen hatte, würde er erst einmal aus eigener Kraft nach Hause gehen. Langsam begann er mit seiner Umrundung des Parks, wobei ihm der Gedanke an Percy wie Fußeisen an den Beinen hing.
     
    Eine Woche später wurde Cromwell Percival John Malcolm Stubbs keine drei Meter vom Ort seiner Geburt entfernt getauft. Olivia hatte die familientypische Sturheit -

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