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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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gesagt, hatte ich mich für meinen Vetter entschieden. Doch mir ist schon vor Monaten klar gewesen, dass er sterben würde. Sobald ihm das Gesetz nichts mehr anhaben konnte … konnte ich die Wahrheit sagen. Aber ich habe nicht gewagt, es offen zu tun - damals noch nicht.« Ein Lächeln huschte ihm über das Gesicht. »Damals hatte ich noch etwas zu verlieren.«
    Er hatte das Tagebuch genau durchgelesen und drei Seiten ausgewählt, auf denen jeweils der Name Victor Arbuthnot erwähnt wurde.
    »Das war das Einzige, das diese Seiten gemeinsam hatten.« Melton eine Seite in seine Amtsstube zu legen, sollte Alarm auslösen; der Gräfin eine zweite zu schicken, sollte diesen verstärken - Grey die dritte zuzustecken, nachdem man ihn zusammengeschlagen hatte, sollte, so hatte er gedacht, garantieren, dass die Seiten aufmerksam gelesen wurden. Arbuthnots Name wäre aufgefallen, und die Greys hätten sich auf die Suche nach dem Mann gemacht. Und nach so langer Zeit war es nicht unwahrscheinlich, dass Arbuthnot die Wahrheit selbst gestand. Falls nicht… hätte Longstreet die Wahrheit irgendwie anders zutage fördern können.
    »Das hat sogar tatsächlich funktioniert«, räumte Grey ein, obwohl es ihm die ganze Strategie nicht sympathischer machte. »Aber Arbuthnot hat auch nicht gewusst, dass mein Vater ermordet worden war.«
    Was zählt mehr? , hatte ihn Longstreet gefragt. Das Leben eines Mannes oder die Ehre seines Namens nach seinem Tod? Beides, dachte Grey. Longstreet hatte seine Wahl getroffen. Grey hatte keine Wahl.

    »Wer zum Teufel hat meinen Vater umgebracht?«, wollte er frustriert wissen.
    Longstreet schloss die Augen.
    »Ich weiß es nicht.« Die Erschöpfung des Arztes hatte im Lauf seiner Schilderung sichtlich zugenommen; er musste in immer kürzeren Abständen innehalten und Luft holen, und er wurde von kurzen, brutalen Hustenanfällen heimgesucht, bei denen Grey schon vom Zuhören Brustschmerzen bekam. Er wies noch einmal kraftlos auf das Tagebuch.
    »Ihr wisst alles… was ich weiß.«
    Einen Moment lang saß Grey da und versuchte zu verhindern, dass ihm unter dem Druck der Fragen der Kopf explodierte. Doch auf die meisten dieser Fragen wusste Longstreet auch keine Antwort, und die eine Frage, deren Antwort er wusste - nach Mr. A.s Namen -, konnte ihm Grey nicht stellen.
    Er umklammerte das Tagebuch und erhob sich, als ihm eine letzte Frage einfiel, die Longstreet vielleicht doch beantworten konnte.
    »Mein Bruder hat Nathan Twelvetrees zu einem Duell herausgefordert«, sagte er abrupt. »Wisst Ihr, warum?«
    Longstreet öffnete die Augen und blickte überrascht auf.
    »Ihr nicht? Ah, ich verstehe schon. Melton wollte wahrscheinlich nicht darüber reden. Twelvetrees hatte … seine Frau verführt.«
    Grey fühlte sich, als hätte ihm Longstreet plötzlich einen kräftigen Hieb vor die Brust versetzt.
    »Seine Frau!« Ebenso fassungslos wie erleichtert begriff er, dass Longstreet nicht Minnie meinte, sondern Esmé, die erste Frau seines Bruders - eine bildschöne Französin. Sie war gemeinsam mit ihrem Kind bei der Geburt gestorben. War es Hals Kind gewesen?, fragte er sich entsetzt. Er erinnerte sich noch an den hemmungslosen Schmerz, den Hal bei ihrem Tod empfunden hatte, doch er hatte die Gefühle seines Bruders natürlich nur zur Hälfte verstanden. Sein Herz brannte bei diesem Gedanken.

    »Danke«, sagte er, weil ihm nichts anderes einfiel, das er zu Longstreet hätte sagen können, und wandte sich zum Gehen. Dann kam ihm noch ein letzter Gedanke.
    »Eine Frage noch«, sagte er und wandte sich neugierig zurück. »Hättet Ihr mich umgebracht? Wenn mein Bruder nicht dabei gewesen wäre, als Ihr mir die Splitter aus der Brust geholt habt?«
    Longstreet legte den Kopf zurück und betrachtete Grey genau. Ironie und Intelligenz leuchteten in seinen Augen, die trotz seines verhärmten Gesichtes nach wie vor glänzten. Langsam schüttelte er den Kopf.
    »Wenn wir uns in einer finsteren Gasse begegnet wären, vielleicht. Bei einem Duell mit Sicherheit.« Er hielt inne, um Luft zu holen. »Doch Ihr seid … als Patient zu mir gekommen.« Er hustete erneut und klopfte sich auf die Brust.
    »Füge niemandem … Unheil zu«, keuchte er und schloss die Augen.
    Die Haushälterin, die wortlos im Schatten des Flurs gestanden hatte, kam herein, ohne Grey eines Blickes zu würdigen. Sie trat an Longstreets Seite, kniete sich neben ihn und strich ihm mit sanften Berührungen das Haar aus dem Gesicht. Longstreet

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