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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ist er denn gestorben?«, fragte Grey unverblümt.
    »An Wassersucht«, erwiderte Longstreet ohne jedes Zögern. Entweder war dies die Wahrheit, oder er hatte sich seine Antwort im Voraus zurechtgelegt. Grey ging davon aus, dass es wahrscheinlich die Wahrheit war.
    »Wenn Ihr sein Erbe seid, muss Euer Vetter kinderlos gestorben sein«, merkte er an. »Gibt es außer Euch noch weitere Verwandte?«
    Longstreet schüttelte den Kopf und senkte die Wimpern.
    »Nur noch mich«, sagte er leise. »Der Titel stirbt mit mir.«
    Grey wandte nicht ein, dass Longstreet doch noch heiraten und Söhne zeugen könnte; er war zwar kein Arzt, aber er hatte schon genug Sterbende gesehen. Vielleicht hatte sein eigenes Rendezvous mit dem Tod ja eine Art morbider Empfänglichkeit in ihm geweckt. Er konnte Longstreets schadhafte Lungen seufzen hören und die Blaufärbung seiner Lippen sehen.
    »Wenn es also die Ehre Eures Familiennamens ist, um die Ihr Euch Sorgen macht …«, sagte Grey langsam.
    Der Doktor verzog die Lippen zu einer ironischen Miene, die beinahe ein Lächeln war.
    »Ihr glaubt, wenn ein Name ausstirbt, braucht man auch seine Ehre nicht mehr zu bewahren?«
    »Würdet Ihr sie um den Preis Eurer eigenen Ehre bewahren?« Die Worte entfuhren Grey ungebeten, und sie überraschten ihn selbst beinahe genauso sehr wie Longstreet.
    Der Mund des Doktors bewegte sich tonlos. Dann griff er nach seinem Tee und trank hastig, als wollte er die Worte in seiner Kehle ertränken. Als er die Tasse wieder hinstellte, zitterten seine Hände; Grey konnte die Porzellantasse schwach auf der Untertasse klappern hören.
    »Nein«, sagte er heiser und hielt inne, um sich zu räuspern. »Nein«, sagte er dann entschlossener. »Nein, das würde ich nicht. Ich kann nicht sagen, welcher Zufall Humperdinck bewogen hat zu reden oder wie viel er Euch erzählt hat …« Er warf Grey einen scharfen Blick zu, doch Grey war so klug, sein Schweigen zu wahren.

    Höchstwahrscheinlich hatte Humperdinck ja gar nichts gewusst, da er keine Gelegenheit gehabt hatte, sich vor dem Schlaganfall mit Longstreet zu unterhalten. Nur, dass es etwas zu erfahren gab. Aber es war ebenso möglich, dass Longstreet ihm etwas erzählt hatte, als er um die Unterredung bat; es war besser, wenn er in dem Glauben blieb, dass Grey alles wusste, was es zu wissen gab.
    »Mein Vetter war Jakobit«, sagte Longstreet abrupt.
    Grey zog zwar nur eine Augenbraue hoch, doch sein Herz begann, schneller zu schlagen.
    »Das galt und gilt für viele Menschen. Es sei denn, Ihr meint -«
    »Ihr wisst genau, was ich meine.« Longstreets Stimme hatte immer noch einen keuchenden Unterton, doch die Stimme selbst war jetzt kräftiger, und der Blick des Doktors war nicht mehr so unstet. Er hatte seinen Entschluss gefasst.
    Im Grunde war es dieselbe Geschichte, die man zur Zeit des Todes des Herzogs von Pardloe hatte verlauten lassen - nur dass natürlich der Adelige im Zentrum der englischen Verschwörung zur Ermordung des Königs nicht der Herzog von Pardloe war, sondern der Graf von Creemore.
    »Und das habt Ihr … wann erfahren?«
    »Damals.« Longstreet senkte den Blick, und seine Finger fuhren ruhelos über den Schuppenschwanz der Meerjungfrau. »Sie … sie haben mich eingeladen, mich ihnen anzuschließen. Ich habe abgelehnt.«
    »Das war gefährlich«, stellte Grey argwöhnisch fest. »Für sie und für Euch.«
    »Mein Vetter war der Einzige, der es wusste. Er war es, der mich gefragt hat; der versucht hat, mich von der - der Rechtmäßigkeit ihrer Sache zu überzeugen. Das hat er wirklich geglaubt«, fügte er gesenkten Kopfes leise hinzu, als seien seine Worte an die kleine Meerjungfrau gerichtet. »Dass James Stuart der rechtmäßige König war.«
    »Also waren seine Motive vollkommen uneigennützig, ja?«
    Bei diesen Worten blickte Longstreet wütend auf.

    »Gibt es einen einzigen Menschen, bei dem das so ist?«
    Grey gab ihm schulterzuckend Recht. Doch auch Longstreet gab ihm Recht.
    »Ganz gleich, was Georges Motive waren, die Beweggründe seiner Mitverschwörer waren natürlich bunt gemischt. Ich kannte sie nicht alle - George wollte mir ihre Namen erst sagen, wenn ich einer von ihnen wurde. Was ja sehr vernünftig war.« Er hielt kurz inne, um zu husten.
    »Ihr habt sie nicht alle gekannt - aber einige schon?«
    Longstreet nickte langsam und räusperte sich.
    »Der Marquis von Danbury Katholik - seine ganze Familie bestand aus fanatischen Katholiken. Als - als Euer Vater umkam, ist er nach

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