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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Frankreich geflüchtet. Dort ist er vor ein paar Jahren gestorben Und noch einer - ich kannte seinen Namen nicht; George hat ihn immer nur ›A.‹ genannt.«
    › A‹ wie ›Arbuthnot‹? , fragte sich Grey, und sein Magen verkrampfte sich.
    »Ihr habt das alles gewusst - und nichts gesagt?« Longstreet lehnte sich ein wenig zurück, um Grey zu betrachten, und schüttelte dann den Kopf.
    »Ich habe Euch doch gefragt, was Euch mehr wert ist, das Leben oder die Ehre. Das habe ich mich selber auch gefragt. Oft sogar. Und damals … habe ich mich für das Leben meines Vetters und gegen meine Ehre entschieden. Euer Vater war schon tot; daran konnte ich nichts mehr ändern. Ich hätte Creemore denunzieren sollen, das weiß ich. Aber ich konnte mich nicht dazu überwinden.«
    »Was konnte es schließlich schaden«, sagte Grey und krümmte die Finger um seine Sitzkante, um nicht auf Longstreet einzuschlagen, »zuzulassen, dass die Ehre meines Vaters in den Schmutz gezogen wurde und seine Familie in dem Glauben lebte, er hätte sich umgebracht?«
    Er versuchte erst gar nicht, sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen, und Longstreet fuhr ein wenig zurück und senkte den Kopf.
    »Ich habe mich für das Leben meines Vetters entschieden«,
wiederholte er so leise, dass die Worte kaum zu hören waren. Dann hob er den Kopf und fixierte Grey scharf.
    »Was meint Ihr damit - in dem Glauben, er hätte sich umgebracht. Er hat sich doch umgebracht. Oder - oder nicht?« Zum ersten Mal klang ein Hauch von Unsicherheit in der Stimme des Doktors mit.
    »Nein, das hat er nicht«, sagte Grey. »Er ist ermordet worden, und ich habe vor herauszufinden, von wem.«
    Longstreet runzelte konzentriert die Stirn, und er starrte Grey in die Augen, als sei er dabei, eine Diagnose zu stellen. Er blinzelte ein- oder zweimal, dann erhob er sich abrupt und ging auf seinen Stock gestützt aus dem Zimmer.
    Grey blieb verblüfft sitzen und fragte sich, ob er ihm wohl folgen sollte. Doch der Mann hatte nicht den Eindruck gemacht, als fühlte er sich krank oder beleidigt. Er wartete ab und wanderte langsam durch das Zimmer, um Longstreets Kuriositätensammlung zu betrachten.
    Kurz darauf hörte er den Krückstock des Doktors. Er wandte sich vom Kamin ab und sah Longstreet ins Zimmer treten, in der Hand ein Buch, das ihm vertraut war. In grobes Leder gebunden, das an manchen Stellen vom vielen Anfassen dunkel glänzte.
    Der Doktor hielt es Grey schwer atmend entgegen, und Grey riss es ihm aus der Hand. Das Herz schlug ihm bis zum Hals.
    »Ich dachte … das hättet Ihr… vielleicht gern.« Longstreet wies kopfnickend auf das Buch.
    »Ich … ja.« Grey sah ihn an, obwohl er den Blick kaum von dem Buch abwenden konnte. »Woher habt Ihr es?«
    Longstreet hatte sich hingesetzt. Sein Gesicht war blau angelaufen, und er atmete so schwer, dass er nur eine hilflose Geste zuwege brachte.
    Grey stand auf und kramte in seinem Rock nach der Zinnflasche, aus der er Longstreet einen großzügigen Schuss Brandy in die Überreste seines Tees schüttete. Er hielt Longstreet die Tasse an die dünnen blauen Lippen und sah in seiner Erinnerung,
wie der Doktor in jener verschneiten Nacht im Club einen ähnlichen Dienst an Humperdinck verrichtet hatte.
    Es dauerte eine Weile, bis ihm Longstreet antworten konnte, doch schließlich gelang es ihm. »Es war bei den Sachen meines Vetters. Ich habe es nach seinem Tod mitgenommen.«
    »Aber Ihr wusstet, dass er es hatte?« Die Tagebuchseite war schon vor Lord Creemores Tod in Hals Amtsstube aufgetaucht - doch der von der Gicht verkrüppelte, wassersüchtige Lord Creemore hatte sich wohl kaum selbst unbeobachtet in die Kaserne geschlichen. Wohingegen Longstreet in seiner Uniform niemandem aufgefallen wäre.
    Longstreet nickte.
    »Er … hat es mir gezeigt. Auf mein Drängen hin. Daher wusste ich, wo es zu finden war.«
    »Ihr habt es gelesen?« Der lederne Einband schien Grey die Finger zu verbrennen, und der Impuls, das Buch zu öffnen und zu sehen, wie die Handschrift seines Vaters lebendig wurde, überwältigte ihn beinahe.
    Jetzt bekam der Mann wieder besser Luft.
    »Ich habe es gelesen.«
    »Hat er - mein Vater - hat er etwas von einer jakobitischen Verschwörung geschrieben?«
    Longstreet nickte und trank noch einen Schluck aus seiner Tasse.
    »Ja. Er hat einiges gewusst und einiges mehr vermutet - doch er war so umsichtig, die Rädelsführer nur verschlüsselt zu erwähnen. Meinen Vetter hat er Banquo genannt.« Der Doktor

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