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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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und Kirchenglocken hallten durch die schmalen Gassen, und Tom Byrd lenkte die Kutsche mit einer Hand an den Zügeln und der anderen an der Pistole in seinem Gürtel.
    Als das Pferd klappernd in die Banbridge Street einbog, beugte sich Grey vom Wagen hinunter, einen Shilling in der Hand. Das Glitzern des Metalls zog einen zerlumpten Jungen aus einem Hauseingang wie ein Magnet.
    »Euer Ehren?« Der Junge konnte sich nicht entscheiden, wohin er starren sollte - auf das Geldstück, auf Grey oder auf den Wageninhalt.
    »Rafe und Mick O’Higgins«, sagte Grey. »Kennst du sie?«
    »Jeder kennt sie.«
    »Gut. Ich habe etwas, das ihnen gehört. Kannst du mich zu ihnen bringen?«
    Die Hand des Jungen schoss nach vorn, um nach der Münze zu greifen, doch er hatte sich entschieden, wohin sein Augenmerk gehörte; sein Blick hing gebannt auf dem Wagen.
    »Aye, Euer Ehren. Ich würde sagen, sie dürften bei Kitty O’Donnells Totenwache sein. Ungefähr am Ende der O’Grady Street. Aber so kommt Ihr dort nicht hin«, fügte er hinzu und riss seinen Blick kurz von Greys Wagen los. »Ihr müsst umdrehen und die Filley Lane nehmen, das ist am schnellsten.«
    »Bringst du uns hin?« Grey hielt noch eine Münze bereit, doch bevor er sie dem Jungen anbieten konnte, saß dieser
schon neben ihm auf dem Kutschbock und reckte den Hals nach dem Automaten.
    Grey hatte am Rand des Stadtviertels kurz angehalten, um sowohl das Segelleinen beiseitezuziehen, mit dem er die Gerätschaft auf der Fahrt durch London diskret verhüllt hatte, als auch das Oberteil des Schränkchens zu entfernen, sodass die bunte Figur jetzt wie ein Kaiser auf der Ladefläche des Wagens mitfuhr. Ihre Arme bewegten sich steif, und gelegentlich surrte das Uhrwerk, und ihr Oberkörper drehte sich.
    Tom Byrd, der die Zügel führte, warf ihrem kleinen Führer einen finsteren Blick zu und murmelte etwas vor sich hin, trieb jedoch das Pferd mit schnalzender Zunge an und lenkte das Gefährt vorsichtig durch die mit Abfällen übersäten Straßen. Hin und wieder waren Grey und der Junge gezwungen, abzusteigen und Gegenstände - zerschmetterte Fässer, einen Haufen vergammelter Kohlköpfe und bei einer besonders bemerkenswerten Gelegenheit ein kürzlich verendetes Schwein - aus dem Weg zu räumen, doch es war nicht weit, und innerhalb einer halben Stunde hatten sie ihr Ziel erreicht.
    »Dort drin?« Grey warf einen skeptischen Blick auf das Gebäude, das so aussah, als würde es jeden Moment zusammenbrechen. Doch von seiner Standsicherheit ganz abgesehen, wirkte es wie ein Haus, das kein Mensch betreten würde, dem auch nur das Geringste an seiner persönlichen Sicherheit lag. Rußgeschwärzte Gesichter blickten ihnen daraus entgegen; ein paar Männer, die sich auf der Straße herumdrückten, richteten sich beiläufig auf und schoben die Hände in die Taschen, und der türlose Eingang gähnte ihnen schwarz und lichtlos entgegen wie das Tor zur Hölle.
    Irgendwo über ihnen spielte eine Blechflöte im Inneren des Hauses eine Klagemelodie.
    Grey holte Luft, um den Jungen zu fragen, ob er wohl hineingehen und die O’Higgins-Brüder herausholen würde, doch dann hörten sie, wie sich irgendwo im Inneren eine Tür öffnete, und der plötzliche Luftzug, der aus der Haustür fuhr, brachte einen solchen Gestank mit, dass er würgen musste.

    »Tod und Teufel!«, rief Tom Byrd aus. Er riss sich ein Taschentuch aus dem Ärmel und hielt es sich fest vor die Nase. »Was ist denn das ?«
    »Etwas Totes«, sagte Grey und versuchte, nicht zu atmen. »Oder jemand. Und er ist schon länger tot.«
    »Kitty O’Donnell«, sagte ihr junger Führer beiläufig. »Ich hab’ Euch doch gesagt, es ist eine Totenwache, oder?«
    »Doch«, pflichtete Grey ihm bei und griff in seine Geldbörse, während er flach durch den Mund atmete. »Wie ich glaube, ist es Brauch, dass man eine Kleinigkeit für die, äh, Erfrischung der Trauergäste beisteuert?«
    Zu seiner Überraschung zögerte der Junge.
    »Das ist richtig, Sir, gewiss. Es ist nur … nun, wisst Ihr, es ist die alte Ma O’Donnell.«
    »Die Tote?«
    »Nein, ihre Mutter.«
    Es war in der Tat Sitte, den Gästen, die zu einer Totenwache kamen, zumindest ein Glas Gin anzubieten, und natürlich war es gern gesehen, wenn die Trauergäste ein paar Pennies für das Begräbnis stifteten. Aber Kitty O’Donnell war sehr beliebt gewesen, und es kamen so viele Leute, die sich so prächtig bei Gin, Geschichten und Gesang amüsierten, dass der Gin bald

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