Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
mit ins Bett nehmen - ich könnte Euch zum Schreien bringen. Und bei Gott, das würde ich.«
    Später sollte er versuchen, sich an das zu erinnern, was dann geschah. Hatte er sich bewegt? War ein Reflex, war seine Ausbildung stärker gewesen als der Nebel der Rage, der ihn blendete? Oder hatte sich Fraser bewegt, durch einen seidenen Faden der Vernunft dazu bewogen, noch im selben Moment, in dem er mit der Faust ausholte, sein Ziel zu ändern?
    So sehr er es auch versuchte, er konnte es nicht beantworten. Alles, woran er sich erinnerte, war der Aufprall, als Fraser die Faust einen Zentimeter neben seinem Gesicht vor die Holzwand rammte, und sein seufzender, heißer Atem in seinem Gesicht. Die unmittelbare Nähe seines Körpers und das Gefühl, unwiderruflich verloren zu sein.
    Dann war er im Freien und schnappte nach Luft wie ein Ertrinkender, stolperte blindlings im Gleißen der untergehenden Sonne umher. Er hatte das Gleichgewicht und die Orientierung verloren; streckte stolpernd die Hand nach einem Anker aus und bekam irgendeine Gerätschaft aus dem Stall zu fassen.
    Sein Blick wurde klarer, seine Augen tränten - doch er sah weder das Paddock, den Wagen, dessen Rad er gepackt hatte,
noch das Haus und die Gärten. Was er sah, war Frasers Gesicht. Als er das gesagt hatte - welcher Dämon hatte ihm diesen Gedanken, diese Worte eingeflößt? Ich könnte Euch zum Schreien bringen .
    Oh, Gott, oh, Gott. Jemand hatte es schon getan.
    Ein Gefühl quoll in ihm auf, als platzten die Blutgefäße tief in seinem Bauch. Innerhalb von Sekunden füllte ihn die grauenvolle Flüssigkeit an, weit mehr, als er fassen konnte. Er musste sich übergeben oder …
    Keuchend riss er seine Hose auf. Ein oder zwei verzweifelte Sekunden lang benutzte er seine Faust, dann quoll alles aus ihm heraus. Bedauern und Sehnsucht, Rage und Lust - und andere Dinge, die er selbst unter Folterqualen nicht hätte benennen können -, all das lief ihm wie Quecksilber über den Rücken, lief ihm zwischen den Beinen entlang, sprudelte hervor wie eine Fontäne, die ihn austrocknete wie einen löchrigen Weinschlauch.
    Seine Beine waren kraftlos. Er sank auf die Knie, und so verweilte er schwankend mit geschlossenen Augen. Alles, was er empfand, war Grauen und Erleichterung.
    Minuten - oder Stunden - später kam ihm die Sonne zu Bewusstsein, ein dunkelroter Fleck in der Schwärze seiner geschlossenen Augenlider. Im nächsten Moment bemerkte er, dass er mit loser Hose auf dem mit Pfützen übersäten Boden des Hofes kniete und sein Glied immer noch fest in der Hand hatte.
    »Oh, Gott«, sagte er ganz leise zu sich selbst.
    Das Scheunentor in seinem Rücken stand offen, doch aus der Finsternis im Inneren drang kein Geräusch.
     
    Hätte es die Höflichkeit nicht anders verlangt, wäre er sofort abgereist. Er ließ ein letztes Abendessen mit den Dunsanys über sich ergehen, auf deren Konversation er mechanisch antwortete, ohne ein einziges Wort zu hören. Danach ging er nach oben, um Tom zu sagen, dass er packen sollte.
    Tom, der die Stimmung seines Brotherrn sofort erfasst hatte,
hatte bereits damit begonnen. Als Grey die Tür öffnete, blickte er mit derart alarmierter Miene von dem Kleidungsstück auf, das er gerade zusammenfaltete, dass Grey es trotz des Gefühls dumpfer Isolation bemerkte, das ihn seit den Ereignissen des Nachmittags umgab.
    »Was ist, Tom?«
    »Ach … es ist nichts, Mylord. Ich dachte nur, er wäre es vielleicht noch einmal.«
    »Er?«
    »Dieser riesige Schotte, der Stallknecht, den sie Alex nennen. Er ist gerade hier gewesen.« Tom schluckte und unterdrückte mannhaft die Überreste seines offensichtlichen Riesenschrecks.
    »Was, hier ?« Niemals hätte ein Stallknecht das Herrenhaus betreten, es sei denn, Lord Dunsany hätte ihn zu sich bestellt, um ihn zur Rede zu stellen, weil er sich etwas hatte zuschulden kommen lassen. Fraser erst recht nicht; der ganze Haushalt hatte Angst vor ihm, und er hatte die strikte Order, sich unter keinen Umständen weiter als bis in die Küche zu bewegen, wo er seine Mahlzeiten zu sich nahm.
    »Ja, Mylord. Gerade erst vor ein paar Minuten. Ich habe nicht einmal gehört, wie sich die Tür geöffnet hat. Habe nur von der Arbeit aufgeblickt, und da war er. Hat mir einen Mordsschreck eingejagt.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Was zum Teufel hat er denn gewollt?« Das Einzige, was er sich vorstellen konnte, war, dass Fraser beschlossen hatte, ihn doch umzubringen, und dass er zu diesem Zweck gekommen war.

Weitere Kostenlose Bücher