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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Irgendetwas über ihr Pferd, dass sie stundenlange Ausritte unternahm, allein mit ihrem Pferd. Nicht allein. In Begleitung ihres Stallknechts , sagte eine zynische Stimme in seinem Kopf.
    Und dann war da besagter Stallknecht selbst und diese außergewöhnliche mitternächtliche Begegnung. Obwohl Grey nicht geschlafen hatte, kam sie ihm hartnäckig wie die Ausgeburt eines Traumes vor. Er wandte sich bewusst auf seinem Sitz um und sah Fraser an. Im Gesicht des Schotten regte sich nichts. Er hätte Grey anblicken können - oder irgendetwas, das sich tausend Meilen in seinem Rücken befand.
    Isobel saß neben ihm, und er stützte sie, indem er ihre kleine, kalte Hand hielt, die in einem schwarzen Handschuh steckte. Sie weinte nicht mehr; er glaubte, dass sie einfach den Punkt überschritten hatte, an dem sie es noch konnte.
    Keiner der Dunsanys hatte Fraser auch nur einen Blick zugeworfen - nur der Großteil der Gemeinde hatte ihn offen angegafft, und der eine oder andere ließ auch jetzt noch den Blick zu der Bank huschen, auf der er aufrecht und bedrohlich wie eine Sargkerze saß.
    Ja, es gab Anhaltspunkte. Doch seine Bekanntschaft mit Fraser war ebenfalls ein Anhaltspunkt - und er fand es unvorstellbar, dass Fraser ein junges Mädchen verführt haben könnte, ganz gleich, unter welchen Umständen. Erst recht nicht die Tochter seines Brotherrn.

    Er heftete den Blick auf die beiden Särge, die vorn in der Kirche standen, identisch unter ihren weißen Hüllen. So tragisch, so … ehelich und solide.
    Ja, und Geneva hast du auch gekannt, zum Kuckuck , dachte er.
    Der Regen war zu Schnee geworden. Nass, wie der Boden war, würde er nicht liegen bleiben, doch der Wind trieb ihn gegen die Fensterscheiben, kleine Salven harter, trockener Körnchen, die wie Schrot auf das Glas trafen.
    Schneeflocke um Schneeflocke häufte sich lautlos zu einer Verwehung auf, die zwar ein festes Aussehen hatte - die aber, so ermahnte er sich, genauso gut pure Illusion sein konnte.
    Ihm war schwindelig vom Schlafmangel, und die vom Schnee verdunkelten Fenster tauchten die Kirche in ein trauriges Zwielicht. Er hatte in den Stunden vor der Morgendämmerung in der eiskalten Kapelle gesessen und nachgedacht.
    War seine Weigerung, es zu glauben, nichts als eine Folge seines eigenen Stolzes, seiner eigenen Schuldgefühle? Nicht nur seines Glaubens an Jamie Frasers Ehrbarkeit und der Weigerung zu glauben, dass er sich in dem Mann so geirrt haben könnte - sondern des Wissens, dass auch ihn ein guter Teil der Schuld traf, wenn es wahr war ? Er hatte Fraser bei den Dunsanys eingeführt und sich mit seiner Ehre für Fraser verbürgt.
    Er hatte heute Morgen nichts gegessen, denn er war zu durchgefroren und erschöpft gewesen, um nach seiner Vigil in der Kapelle an Essen auch nur zu denken.
     
    » Aus den Tiefen rufe ich zu Dir, oh Herr. Herr, höre meine Stimme .«
     
    Fraser hatte urplötzlich die Augen geschlossen, als könnte er nicht ertragen, was er sah. Doch was sah er?, fragte sich Grey. Das Gesicht des Schotten blieb so ausdruckslos wie Granit, doch Grey sah, wie sich seine kräftigen Hände langsam um Stoff und Haut krümmten, wie sich seine Finger so fest in seinen
Oberschenkelmuskel gruben, dass sie dort blaue Flecken hinterlassen mussten.
    War es Geneva, um die er trauerte - oder seine verstorbene Frau? Das Schlimme an Beerdigungen war, dass sie einem die eigenen Verluste ins Gedächtnis riefen. Er hatte am Begräbnis seines Vaters nicht teilgenommen, und doch hatte er noch nie einer Beerdigung beigewohnt, ohne an seinen Vater zu denken. Die Wunde seines Verlustes heilte zwar und schrumpfte im Lauf der Jahre, doch immer wieder öffnete sie sich.
    Und wenn ich je einen Mann gesehen habe, der innerlich blutet …, dachte er, während er Fraser beobachtete.
     
    » Schenke den Hinterbliebenen Kraft und Zuversicht, lass sie die kommenden Tage im Trost der heiligen Hoffnung bestehen und in freudiger Erwartung des ewigen Lebens gemeinsam mit denen, die sie lieben .«
     
    Nun, diese Erwartung musste gewiss ein Trost sein. Er selbst hegte zwar keinerlei derartige Erwartungen - nur etwas, das zu vage war, um die Bezeichnung »Hoffnung« zu verdienen -, doch er konnte sich im Nebel der Trauer und Unentschlossenheit fest an eine Gewissheit klammern. Die Gewissheit, dass er mindestens eine Antwort von Jamie Fraser bekommen würde. Vielleicht sogar zwei.
     
    Es war erst vier Uhr, doch die Wintersonne war untergegangen und hatte einen schmalen Streifen

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