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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Hinter ihr der Umriss der Stallungen. Irgendwo im Haus meinte er knarzende Schritte zu hören und das weit entfernte Weinen eines Säuglings.
    »Oh, Geneva«, flüsterte er und legte die Hände sanft auf den seidenverhüllten Sarg. »Oh, du Liebe. Was hast du getan?«

8
    Von eigener Hand
    » Ich bin die Auferstehung und das Leben, sagt der Herr. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt, und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben .«
     
    Nun, das hoffte er doch sehr. Diese Worte waren zwar noch nicht gefallen, doch sie wiederholten sich in seinem Kopf, ein tröstender Refrain. Obwohl ein anderer Satz aus dem Gebetbuch im Hintergrund das Gegengewicht bildete:
     
    »Requiemfeier … nicht für die Ungetauften, die Exkommunizierten und die, die von eigener Hand ums Leben kommen .«
     
    Er war nicht beim Begräbnis seines Vaters gewesen - er wusste gar nicht, ob es eins gegeben hatte.
    Trotz des Wetters war die Kirche voll. Die Dunsanys waren sehr beliebt bei ihren Pächtern. Sie waren mit dem Großteil des Landadels befreundet, und sie gingen gut mit ihren Dienstboten um. Jeder wünschte, der Familie in ihrer Trauer beizustehen. Außerdem war man hier auf dem Land, und es gab nicht viel Ablenkung. Eine schöne Beerdigung ließ sich niemand entgehen, selbst wenn es dazu nötig gewesen wäre, durch hüfthohen Schnee zu stiefeln.
    Grey spähte hinter sich, um zu sehen, ob Jamie Fraser unter den Stallknechten und Zofen aufragte, die im Hintergrund standen, doch es war keine Spur von ihm zu sehen. Natürlich durfte Fraser Helwater nicht verlassen, doch man hätte ihm doch gewiss gestattet, mit den anderen Dienstboten zu der Beerdigung zu kommen, wenn er dies gewünscht hätte.

    Grey hatte die Kälte seiner Nachtwache in der Kapelle noch in den Knochen stecken, und diese verstärkte sich jetzt noch, als er das erwartungsvolle Raunen an der Tür hörte und gemeinsam mit allen anderen den Kopf wandte, um mit anzusehen, wie man die sterbliche Hülle Ludovics, des achten Grafen von Ellesmere, hereintrug.
    Er versuchte erst gar nicht, den Sarg nicht anzustarren. Alle starrten ihn an. Der Prediger war zum Vorschein gekommen und wartete mit versteinerter Miene am Altar, wo Genevas Sarg bereits stand. Grey hatte geholfen, ihn hereinzutragen und war sich dabei des stillen Gewichtes im Inneren grauenvoll bewusst gewesen.
    Doch was ihn jetzt bis ins Mark gefrieren ließ war der Anblick Jamie Frasers, der aufrecht und grimmig gemeinsam mit fünf anderen Dienstboten als Sargträger fungierte.
    Irgendjemand hatte ihm einen schlecht sitzenden Rock und eine Hose aus billigem schwarzem Wollstoff gegeben. Eigentlich hätte er ein lächerliches Bild abgeben sollen, denn seine knochigen Handgelenke ragten aus den viel zu kurzen Ärmeln hervor, und jeder Saum schien kurz vor dem Bersten zu stehen. Stattdessen jedoch erinnerte er Grey an eine Beschreibung, die er in einem Buch mit dem Titel »Demonologie« gelesen hatte, einem üblen kleinen Machwerk, auf das er bei seinen Recherchen nach den Erlebnissen im Hellfire-Club gestoßen war.
    Die Männer setzten den Sarg des Grafen ab und zogen sich auf eine Bank unter der Empore zurück. Es überraschte Grey nicht im Mindesten, Fraser allein am einen Ende sitzen zu sehen, während sich die anderen Männer unbewusst aneinanderdrängten, so weit wie möglich von ihm entfernt.
    Der Vikar räusperte sich mit einem ominösen Grollen, die Gemeinde erhob sich unter eingeschüchtertem Gemurmel, und der Gottesdienst begann. Grey hörte kein einziges Wort, und seine Reaktionen waren rein mechanisch.
    Konnte es sein, dass er Recht hatte? Unsicher dachte er die Sache immer wieder durch. Einerseits erschien ihm der Gedanke, der ihm in der Kapelle gekommen war, absolut unglaublich.
Eine Wahnvorstellung, geboren aus Trauer, Erschöpfung und Schockgefühl. Andererseits … hatte er Lady Dunsanys Verhalten beobachtet. Natürlich war sie von Schmerz erfüllt, doch hinter ihrem Schmerz verbarg sich felsenfeste Entschlossenheit. Entschlossenheit, die Vergangenheit ruhen zu lassen und ihren Enkel großzuziehen? Oder Entschlossenheit, eine gewagte Täuschung zu begehen, um ihn zu schützen?
    Und Lord Dunsany, Adressat seiner eigenen Vorwürfe - und der seiner Frau. Weil er die Ehe mit Ellesmere arrangiert hatte, hatte er gesagt … aber auch, weil er Geneva zu viel Freiheit gelassen hatte. Was zum Teufel hatte er noch einmal gesagt, als er schon viel zu viel getrunken hatte?

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