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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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konnte.
    »Warum hat er es doch noch getan? Was hat Twelvetrees getan?«
    »Das«, sagte Quarry unbeirrbar, »ist ein Geheimnis, das ich nicht verraten darf. Fragt Euren Bruder, wenn Ihr es wissen wollt.«
    Grey stieß ein wenig diplomatisches Geräusch aus.
    »So, wie er im Moment gelaunt ist, könnte ich ihm nicht einmal mit Hilfe eines Korkenziehers den Namen seines Schneiders entlocken. Dann sagt mir Folgendes: Hat er Euch von der Seite aus dem Tagebuch meines Vaters erzählt?«
    Quarry riss seine blutunterlaufenen Augen vor Verblüffung weit auf.
    » Wovon ?«

    »Oh, dann also nicht.« Dies erfüllte Grey mit einer obskuren Genugtuung. Wenigstens war er nicht der Einzige, den Hal nicht ins Vertrauen zog. Er stand auf und schob seinen Rock zurecht.
    »Also schön. Ich gehe jetzt nach Hause. Wusstet Ihr, dass Percy Wainwright eingekauft ist?«
    »Möge Gott seiner Seele gnädig sein«, sagte Quarry, doch sein Scherz wirkte mechanisch. Er streckte die Hand aus und fasste John am Arm.
    »John«, sagte er mit unerwartet sanfter Stimme, »lasst es. Euer Vater ist lange tot.«
    »Danke, Harry«, sagte Grey, und es war ihm ernst. Er entzog Harry seinen Arm und klopfte dem Freund auf die Hand. »Aber ich bin es nicht«, sagte er und ging hinaus.
     
    Er ließ sein Pferd im Stall der Kaserne zurück und ging zu Fuß zur Jermyn Street. Auf diese Weise konnte er die Verkrampfungen des Reitens lösen und seine Gedanken ein wenig zur Ruhe kommen lassen. Wenn Hal glaubte, er würde sich wie ein lästiges Insekt verscheuchen lassen, hatte er sich gewaltig geirrt. Andererseits hatte Hal Harry nichts von der Tagebuchseite erzählt, also hatte sein Bruder nicht nur vor ihm Geheimnisse. Harry gehörte dem Regiment erst seit etwas über einem Jahr an - er war von der Königlichen Artillerie übergewechselt -, doch er war einer von Hals ältesten Freunden.
    Dafür würde er aber in Deutschland Oberwasser haben, dachte er. Er selbst freute sich eigentlich über die geänderte Marschorder; es gab vieles, das ihm an Deutschland gefiel - dazu zählte auch das Bier -, und er hatte eine ganze Reihe von Freunden unter den Preußen und ihren Verbündeten. Und da Percy Wainwright ebenfalls Deutsch sprach … Der Gedanke an Wainwright gab ihm seine gute Laune zurück, und er bog pfeifend in das Tor zum Haus seiner Mutter ein.
    Er traf Percy Wainwright in Gesellschaft Olivias, einer Schneiderin, einer Schneidergehilfin und der Zofe seiner Cousine an, und sie alle schienen die Anprobe, die anscheinend
nicht sehr gut vonstattenging, furchtbar erheiternd zu finden.
    Tatsächlich war das Erste, was er sah, Percys Hintern, der in einer Leinenunterhose steckte und sich den Betrachtern entgegenstreckte, weil Percy sich gebückt hatte, um sich an die Zehen zu fassen und anzuzeigen, dass der bis jetzt noch ärmel-und schoßlose Rock im Rücken spannte.
    »Seht Ihr?«, sagte Percy gerade. Die Frauen, die Grey in der Tür stehen sahen, brachen in Gelächter aus.
    »Doch, ja, das tue ich«, sagte Grey, der sich große Mühe gab, nicht auch loszulachen, jedoch scheiterte, als Percy hochfuhr und sich mit großen Augen umdrehte. Grey hob die Hand aufs Herz und verneigte sich. »Euer Diener, Sir.«
    »Ihr erwischt mich gerade in einer misslichen Lage«, sagte Percy mit gespielter Würde. Er riss eine halb fertige, cremefarbene Seidenkniehose von der Kaminbank und wickelte sie sich um die Hüften.
    Und wenn wir allein wären, würde ich sie ausnutzen , dachte Grey und ließ eine Spur dieses Gedankens in sein Lächeln einfließen. Percy begriff die Anspielung; seine Wangen, die ohnehin schon errötet waren, verfärbten sich noch mehr. Für den Bruchteil einer Sekunde sah er Grey direkt in die Augen, und Spekulation - und Einwilligung - blitzten in seinem Blick auf, dann stimmte er in das allgemeine Gelächter ein.
    »Johnnie! Wie schnell du doch da bist! Ich hätte nicht gedacht, dass du noch vor dem Tee kommst.« Olivia watschelte auf ihn zu, stellte sich auf die Zehenspitzen und beugte sich vor, um ihn über ihren Kugelbauch hinweg auf die Wange zu küssen. »Hier, probier du den Rock an. Vielleicht passt er dir ja besser.«
    Er spürte, wie ihm bei dem Gedanken, sich - zumindest teilweise - in Gegenwart Percy Wainwrights öffentlich zu entkleiden, ebenfalls die Wärme ins Gesicht stieg, doch Letzterer grinste über seine Beklommenheit, und er ließ zu, dass man ihn seines Uniformrocks und seiner Weste entledigte, während er Hemd und Hose anbehielt. Dabei

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