Die Sünde der Brüder
merkwürdige Verhalten seiner Mutter verloren kurzfristig jede Bedeutung.
»So ist es wohl. Dann werde ich Euch morgen für eine Belobigung vorschlagen.«
12
Offiziere und Gentlemen
»Wir sind hier schließlich nicht bei den Russen«, erklärte Quarry in freundlichem Ton an Percy gerichtet. »Dort bekommen die verflixten Offiziere ihre Truppen nie zu sehen, ganz zu schweigen davon, sie in die Schlacht zu führen.«
»Nicht?« Percys Miene war argwöhnisch, als hielte er dies für eine gute Idee. Er hatte die zurückliegende Woche damit verbracht, sich in den Dienstpflichten eines Fähnrichs und eines Unterleutnants unterweisen zu lassen, die darin bestanden, beim Exerzieren, bei Anwesenheitsappellen und bei Wachablösungen zugegen zu sein, exakt über die Ausrüstungsgegenstände und Vorräte Buch zu führen - Hauptmann Wilmot hatte ihn zu seiner Handschrift beglückwünscht, bevor er ihn herunterputzte, weil er eine Ladung Stiefel falsch eingetragen und zehn Fass Pulver an die falsche Adresse geschickt hatte -, sich um die Versorgung der Kranken im Lazarett zu kümmern - davon gab es zu dieser Jahreszeit glücklicherweise nicht viele - und die Soldatenquartiere zu inspizieren.
»Passt auf, dass sich keine Grüppchen bilden«, fügte Quarry hinzu. »Wir haben zwei Bataillone. Das eine kämpft auf Feldzügen, während sich das andere erholt und seine Ausrüstung auf Stand bringt. Aber wir sind ein kleines Regiment, und viele unserer Soldaten sind schon lange hier und kommen gut miteinander zurecht. Im nächsten Monat werden aber viele Neulinge dazustoßen, und dann passiert es, dass Cliquen entstehen. Das könnt Ihr Euch nicht leisten - die Männer werden Euch genau beobachten, weil Ihr zur Familie gehört, und es darf nicht der Anschein entstehen, dass eine Gruppe bevorzugt wird - außer natürlich den Kompanien, die direkt Eurem Befehl unterstehen. Das sind vier Stück. Alles verstanden?«
»Oh, ja. Sir«, fügte Percy hastig hinzu, und Quarry musste grinsen.
»Braver Junge. Jetzt ab mit Euch zu Sergeant Keeble, damit Ihr lernt, in welches Ende der Muskete man die Kugel steckt.«
»Keeble ist mit einer Kompanie auf dem Exerzierplatz«, unterbrach ihn Grey, der in Quarrys Amtsstube Halt gemacht hatte, um ein Bündel Papiere abzuliefern. »Ich habe etwas Zeit, ich übe den Ladedrill mit ihm.«
»Gut. Was ist das hier?« Quarry griff nach seiner Brille und blinzelte die Papiere an. Er riss die Augen auf und zog die Brille wieder ab, als könnte er seinen Augen nicht trauen. » Was ?«, brüllte er.
Grey zupfte an Percys Ärmel.
»Ihr seid entlassen«, flüsterte er. »Kommt mit.«
Percy warf einen letzten, nervösen Blick auf Quarry, der dunkelrot vor Rage geworden war und laut und gotteslästerlich auf die Papiere einfluchte. Obwohl Quarry ihn nicht ansah, salutierte er schneidig und machte auf dem Absatz kehrt, um Grey zu folgen.
»Was war denn jetzt los, oder darf ich das nicht wissen?«, fragte er, als sie draußen waren.
»Nichts.« Grey zuckte mit den Schultern. »Instruktionen aus dem Kriegsministerium, die den letzten genau widersprechen. Das geschieht etwa einmal in der Woche. Wie kommt Ihr zurecht?« Da er mit seinen eigenen Dienstpflichten mehr als genug zu tun hatte, hatte er Percy im Lauf der Woche kaum gesehen.
»Ganz gut. Ich hoffe es zumindest«, sagte Percy skeptisch. »Ich werde häufig angeschrien.«
Grey lachte.
»Euch anschreien zu lassen, steht auf der Liste Eurer Dienstpflichten ganz weit oben«, versicherte er Percy.
» Euch schreit doch auch niemand an.«
»Ich«, sagte Grey selbstzufrieden, »bin ja auch Major. Mich darf niemand anschreien - innerhalb des Regiments natürlich
- außer Harry, Oberst Symington und meinem Bruder. Bei Harry macht es mir nichts aus, von Symington halte ich mich fern, und in Meltons Nähe lasse ich äußerste Vorsicht walten; ich rate Euch, es ebenso zu machen. Hat man Euch heute Morgen durch die Kaserne geführt?«
»Gestern. Äh … gibt es irgendwas, worauf ich besonders achten muss, um zu merken, wenn sich Ärger zusammenbraut?«
Grey hatte ihn auf seinem ersten Rundgang über das Gelände begleitet, erklärte ihm jetzt aber die Einzelheiten.
»Bei den Männern in der Kaserne müsst Ihr auf Anzeichen von Trunkenheit - die nicht schwer zu erkennen ist, das versichere ich Euch -, von Spielsucht und von übertriebener Hurerei achten. Was diejenigen angeht, die in der Stadt einquartiert sind -«
»Woran erkennt man, dass es Sucht
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