Die Sünde der Brüder
sinken und beugte sich vor. »Aber Agnes hat darauf bestanden, dass wir Euch einen Doktor holen. Ich habe ihr gleich gesagt, es ist Geldverschwendung, aye?«
Diesen Worten zum Trotz warf der hünenhafte Sänftenträger seiner winzigen Frau einen liebevollen Blick zu. Diese rümpfte nur die Nase.
»Ich wollte nur nicht, dass Seine Lordschaft unter meinem Dach verstirbt«, sagte sie energisch. »Schlecht fürs Geschäft, aye?« Sie schob den Apotheker beiseite und bückte sich, um einen ernsten Blick in Greys Gesicht zu werfen. Leuchtende braune Augen suchten seine mitgenommenen Gesichtszüge ab und wurden dann von Fältchen umringt, als sie grinste.
»Wart Ihr denn mit der Sänfte zufrieden?«
»Ich bin Eurem Mann zu großem Dank verpflichtet, Ma’am«, sagte er. Natürlich war er erleichtert, von einem Bekannten erspäht und gerettet worden zu sein, doch dann in
MacNabs Sänfte geworfen und eine Meile weit im Laufschritt getragen zu werden, war fast genauso schmerzhaft gewesen wie die eigentlichen Verletzungen.
»Herzlichen Glückwunsch zu Eurem neuen Geschäft«, fügte er hinzu, um das Thema zu wechseln. Er kämpfte sich hoch und schwang die Beine vom Diwan, sodass der junge Apotheker - der Junge konnte noch keine fünfzehn sein - gezwungen war, seinen Arm loszulassen.
»Vielen Dank«, sagte Nessie voller Genugtuung. Sie fasste sich an die respektable weiße Haube, die ihre dunkle Lockenpracht zusammenhielt, und sah sich zufrieden in dem kleinen Salon um. Er war zwar mit zusammengewürfelten Möbelstücken ausstaffiert, die alle sichtlich gebraucht waren - aber er wies kein Stäubchen auf, und in einem soliden Kerzenhalter aus Messing brannte eine gute Wachskerze.
»Es ist zwar klein, aber anständig. Drei Mädchen, alle sauber und willig. Ich hoffe, Ihr werdet uns an Eure Freunde weiterempfehlen. Nicht, dass wir nicht gern bereit wären, Euren Freund hier gratis zu bedienen«, fügte sie hinzu und wandte sich anmutig an Percy. »Wenn Ihr Euch gern die Zeit vertreiben würdet, bis Seine Lordschaft versorgt ist? Janie ist gleich frei.«
Percy, der mit großem Interesse auf die Geräusche hinter der Wand gelauscht hatte - die anscheinend etwas mit Janie zu tun hatten, da der Herr in ihrer Begleitung diesen Namen wiederholt vor sich hin keuchte -, verneigte sich würdevoll vor Nessie.
»Ich weiß Euer Angebot zu schätzen, Ma’am. Doch ich möchte Mistress Janie nicht über Gebühr ermüden. Gewiss muss sie sich doch ein wenig ausruhen.«
»Och nein. Unsere Janie kann Tag und Nacht«, versicherte MacNab ihm stolz, obwohl ihn die Tatsache, dass Percy erneut höflich ablehnte, doch zu erleichtern schien.
»Dann bin ich jetzt fort. Aber soll ich zurückkommen?«, erkundigte sich der Sänftenträger und richtete sich auf. »Um Seine Lordschaft heimzutragen, wenn es ihm besser geht?«
»Nein, nein«, sagte Grey hastig. »Es geht mir schon wieder gut. Mr. Wainwright und ich gehen zu Fuß.«
Percy zog die Augenbrauen hoch, und alle Anwesenden sahen ihn schräg an, sodass ihm der Gedanke kam, dass der Schaden in seinem Gesicht schlimmer sein musste als er gedacht hatte.
»Man sollte Euch wirklich zur Ader lassen, Mylord«, sagte der Apotheker ernst. »Sonst wäre es gefährlich für Euch, mit Eurer Verletzung hinaus in die Kälte zu gehen. Eine furchtbare Anstrengung für Eure Leber. Ihr könntet Euch erkälten. Und die blauen Flecken in Eurem Gesicht - da würden Blutegel Wunder wirken, Mylord.«
Grey hasste es, zur Ader gelassen zu werden, und Blutegel hasste er noch mehr.
»Nein, ich versichere Euch, es geht mir wirklich gut.« Er erhob sich schwungvoll, und als er dann schwankend dastand, tanzten glitzernde Lichtpünktchen an den Rändern seines Gesichtsfelds auf und ab. Ein Chor bestürzter Ausrufe teilte ihm mit, dass er im Begriff war zu fallen, und er konnte sich gerade noch mit den Händen abfangen, als er wieder auf den Diwan plumpste.
Dienstbeflissene Hände fassten seine Schultern und legten ihn wieder hin. Ihm stand der kalte Schweiß auf der Stirn, und eine sanfte Hand wischte ihn mit einem Tuch ab. Allmählich klärte sich sein Blick wieder.
Zu seiner Überraschung war es Percys Hand, nicht Nessies.
»Ihr bleibt hier und lasst Euch brav Blut abzapfen«, sagte Percy entschlossen. Sein Mundwinkel zuckte, denn er musste sich das Lächeln verkneifen. »Ich suche uns eine Droschke für den Heimweg.« Er richtete sich auf und verbeugte sich vor Nessie und MacNab.
»Ich bin Euch für Eure
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