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Die Suende der Engel

Die Suende der Engel

Titel: Die Suende der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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du mir nicht vertrauen? Vater, du hast dich aufgeführt, als hättest du einen Zeugen vor dir, den du befragen und einschüchtern mußt. Mario ist kein Verbrecher. Und du bist nicht rund um die Uhr Staatsanwalt!«
    Michael schwieg einen Moment. »Ich mag ihn nicht«, sagte er dann.
    »Das hatte ich nicht anders erwartet«, erwiderte Tina ironisch. Gleich darauf schrie sie auf. »Au!«
    Blut quoll aus dem Zeigefinger der rechten Hand. Tina hatte direkt in die scharfen Zacken einer Scherbe gegriffen. Michael war mit zwei Schritten neben ihr, zog ein Taschentuch hervor und schlang es um die Wunde. Er hat immer, immer ein sauberes Taschentuch zur Hand, dachte Tina, und unvermittelt brach sie in Tränen aus. Sie schluchzte heftig und in einer zu Herzen gehenden Verzweiflung, weinte noch, als Michael sie in seine Arme nahm und an sich drückte, sie zitterte und zuckte wie eine Kerze unter einem Luftstrom und durchweichte das blütenweiße Hemd ihres Vaters mit Bächen von schwarzer Wimperntusche.
     
    Trotz der leichten Mißstimmung vom Vorabend hatten Janet und Andrew einen schönen Sonntag verbracht. Sie waren zuerst nach Windsor gefahren und zwei Stunden lang in den Schloßanlagen herumgebummelt, dann hatten sie die zauberhaften Häuser am Themseufer in Henley angeschaut und einen langen Spaziergang entlang des Flusses gemacht. Irgendwann am Nachmittag aßen sie Sandwiches in einem Pub, und zum Abendessen kehrten sie in einen Landgasthof bei Newbury ein. Draußen neigte
sich ein sonniger Maitag seinem Ende zu, ein kühler Wind kam auf. Andrew saß Janet gegenüber am Tisch und betrachtete sie mit einem Ausdruck zärtlicher Nachdenklichkeit in den Augen.
    »Du siehst besonders jung aus heute«, sagte er, »windzerzauste Haare und rote Wangen stehen dir sehr gut.«
    »Und du bist ein bißchen braun geworden. Das macht sich sehr schick zu deinen grauen Haaren.«
    Er lachte, aber das Lachen verbannte nicht die Angespanntheit aus seinem Gesicht. Sacht berührte Janet seinen Arm. »Irgend etwas beschäftigt dich den ganzen Tag schon. Worüber denkst du nach?«
    »Das gehört nicht hierher.« Andrew nickte der Kellnerin zu, zum Zeichen, daß er die Rechnung haben wollte. »Ein berufliches Problem.«
    »Es würde mich interessieren.«
    »Ein Fall, der mir an die Nieren geht... ein Psychopath, den ich für den Rest seines Lebens hinter Gittern sehen möchte. Sein Anwalt wird auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren, aber ich hoffe, die Gegenseite setzt das höchste Strafmaß für ihn durch.« Andrew strich sich mit der Hand über die Augen, er wirkte plötzlich sehr müde. »Ich habe immer noch nicht gelernt, mich innerlich rauszuhalten aus diesen Geschichten.«
    »Was hat er getan?« fragte Janet.
    »Willst du das genau wissen?«
    »Ja...«
    »Er hat vier Morde begangen - oder vielmehr, vier Morde hat er gestanden. Möglicherweise sind es mehr. Er mordet nur Frauen, solche, die jung sind und attraktiv.«
    Janet schluckte. »Wie hat er sie ermordet?«
    »Er hat sie in einsamen Gegenden überfallen und in einem kleinen Kombi verschleppt. Es gab ein halb verfallenes
Landhaus in der Nähe von Basildon, dorthin hat er sie gebracht. Er selber lebte in London.«
    »Wem gehört das Haus?«
    »Es war völlig verwahrlost. Der Besitzer war fortgezogen. Das Haus sollte schon längst abgerissen werden, aber aus irgendeinem Grund wurde die Sache verschleppt, und es blieb stehen und bröckelte vor sich hin.«
    »Du hast in diesem Fall ermittelt?«
    Andrew nickte. »Es verschwanden immer wieder Frauen aus der Londoner Gegend. Spurlos. Sie hatten, was Lebensumstände und dergleichen anging, nichts gemeinsam, aber sie waren, wie gesagt, alle recht jung und auffallend attraktiv. Wir gingen monatelang jeder winzigen Spur, jedem kleinsten Hinweis nach. Ohne Erfolg. Und dann konnte ihm ein Opfer entkommen.«
    »Aus diesem Haus?«
    »Ja. Er hatte Pech gehabt: Sie war eine hervorragend trainierte Langstreckenläuferin. Sie konnte sich losreißen und davonrennen, und er schaffte es nicht, sie einzuholen. Sie verständigte uns und führte uns zu dem Haus.«
    Janet schluckte. »Und dort habt ihr...?«
    »... die Leichen von vier Frauen gefunden, ja. Dazu jede Menge pornographisches Material, bergeweise einschlägige Magazine, aber auch Utensilien aus Sexshops, vorwiegend zum sado-masochistischen Gebrauch.«
    »Wie entsetzlich«, flüsterte Janet, »die armen Frauen!«
    »Ihre Rechnung, Sir«, sagte die Kellnerin. Sie legte einen Zettel auf den Tisch. »War

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