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Die Suende der Engel

Die Suende der Engel

Titel: Die Suende der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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zugeben, daß der Professor für diese Abneigung gegen seine Person nichts konnte; sie hing einfach mit der Tatsache zusammen, daß er als Maximilians Therapeut über jedes Vorkommnis in der Familie detailliert unterrichtet war. Phillip fühlte sich ihm unterlegen, empfand sich bloßgestellt und auf gewisse Weise sogar gedemütigt. Was dachte Echinger über einen Ehemann, der es sechs Jahre lang ertrug, daß seine Frau eine intime Beziehung zu einem anderen Mann unterhielt? In seinen Augen konnte das sicherlich nur ein Trottel sein, auch wenn er dies aus therapeutischen Gründen Maximilian gegenüber sicher nie in dieser Weise formuliert hatte. Phillip fand es ziemlich
unerträglich, wenn jemand, von dem er selbst so gut wie überhaupt nichts wußte, seinerseits in ihm wie in einem offenen Buch lesen konnte.
    »Die Umstände seines Verschwindens sind sehr mysteriös«, hatte Echinger erklärt. »Maximilian durfte die Klinik jederzeit, nach Abmeldung, verlassen. Er hätte einen seiner Ausflüge leicht benützen können, um sich davonzumachen. Statt dessen ist er, wie wir inzwischen festgestellt haben, durch ein Kellerfenster und einen Lichtschacht bei Nacht und Nebel geflohen! Ich frage mich, warum?«
    Phillip hatte dafür auch keine Erklärung und fragte sich im stillen, weshalb es in dieser Klinik überhaupt Fenster und Lichtschächte gab, durch die man fliehen konnte.
    Echinger zögerte einen Moment, dann fuhr er vorsichtig und deutlich etwas verlegen fort: »Maximilian erzählte mir, seine Mutter sei aus England nicht zurückgekehrt. Er wirkte recht verstört wegen dieser Geschichte. Halten Sie es für möglich, daß er Ihre Frau zu finden und zurückzuholen versucht?«
    Eine Sekunde lang verspürte Phillip eine mörderische Wut, beinahe Haß auf Janet, weil sie ihn dieser Situation ausgesetzt hatte. Echinger wußte genau, was Janet in England trieb, wußte, daß sie wieder in die Arme ihres Liebhabers geflüchtet war, in das Bett dieses verfluchten Mannes, der es ihr so toll, so hemmungslos besorgte - Phillip verwendete in seinen Gedanken gern eine gewöhnliche Sprache, wenn es um Janet und Andrew ging -, daß sie dem Drang, sich richtig nehmen zu lassen, von Zeit zu Zeit offenbar einfach nicht widerstehen konnte.
    »Natürlich wäre das nicht ausgeschlossen«, sagte Phillip reserviert, »aber dazu bräuchte er einen Paß.«
    »Das ist richtig. Er hat keine Papiere. Es dürfte ihm schwerfallen, das Festland zu verlassen.«

    Phillip schwieg. Umständlich erklärte Echinger, daß er leider die Polizei würde einschalten müssen. »Ich habe es schon fast zu lange hinausgezögert. Aber Sie müssen verstehen, ich befinde mich auch unter dem Druck meiner Mitarbeiter.«
    »Sicher«, erwiderte Phillip kühl. Dann verstummte er wieder, bis sich der Professor mit belegter Stimme verabschiedete.
    Nach dem Gespräch fühlte sich Phillip etwas verstört, empfand jedoch, je länger er über alles nachdachte, eine gewisse Erleichterung. Man würde Maximilian aufgreifen; hoffentlich würde er für einige Monate länger hinter den Mauern der Klinik landen. Das akute Problem, was aus ihm werden sollte, war damit erst einmal gebannt.
    Von den Polizeibeamten erfuhr er, was als der mögliche Grund für Maximilians nächtlichen Ausbruch angesehen wurde.
    »Wir haben Zeugen gefunden, die bestätigen, daß er den ersten Bus am frühen Morgen nach Niebüll genommen hat«, erklärte einer der Beamten, »und von dort den Eilzug nach Hamburg. Dann verliert sich seine Spur. Es war ihm wohl wichtig, diesen frühen Bus zu erreichen, daher verließ er die Klinik zu nächtlicher Stunde.«
    »Das alles ist sehr mysteriös«, murmelte Phillip.
    Die beiden Männer sahen ihn scharf an. »Er ist hier bei Ihnen nicht aufgetaucht?«
    »Nein. Weder ist er hier aufgetaucht, noch hat er sich in irgendeiner Form gemeldet.«
    »Die Staatsanwaltschaft hat einen Vollstreckungshaftbefehl gegen ihn erlassen. Sie machen sich strafbar, wenn Sie...«
    »Ich weiß. Aber ich sage die Wahrheit.«
    Der ältere Beamte, der das Gespräch führte, nickte. »Ihre Frau hält sich derzeit in England auf?«

    Echinger hat dich ja gut informiert, dachte Phillip. Laut sagte er: »Ja. Wo genau, ist mir allerdings nicht bekannt.«
    »Das ist ungewöhnlich!«
    »Aber nicht verboten.«
    »Nein.-Sie haben noch einen zweiten Sohn. Stimmt es, daß er verreist ist? Könnte es sein, daß Maximilian ihn aufsuchen möchte?«
    Phillip hatte mit dieser Frage gerechnet und in der Nacht

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