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Die Suende der Engel

Die Suende der Engel

Titel: Die Suende der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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nach Nizza fliegen, sonst gebe es ein Unglück. Aber wenn ich es wage, weitere Fragen zu stellen, fährst du mich an, ich solle dich nicht verhören. Was siehst du eigentlich in mir? Einen Beamten von Scotland Yard, der dir eine Falle stellen will? Oder den Mann, dem du gestern gesagt hast, daß du ihn heiraten wirst?«

    »Du hättest ja nicht mitkommen müssen.«
    Er schwieg. Er kannte sie kaum wieder. Nie hatte er sie so abweisend, so aggressiv erlebt. Erschüttert bis ins Innerste.
    Aber, dachte er zornig, ich hätte ebenfalls Grund, erschüttert zu sein. Meine Welt ist auch ziemlich durcheinandergeraten, und ich versuche, mich zusammenzunehmen.
    Als die Maschine gelandet war und sie heraustraten auf die Treppe, die zum Rollfeld hinunterführte, als der warme, süß duftende Wind aus dem Landesinneren über sie hinwegstrich, da überkam Andrew ein Gefühl der Beklommenheit: Dies hier hätte - einige Zeit später - das Ziel ihrer Hochzeitsreise sein können. Auf einmal hatte er eine Ahnung, daß es hier statt dessen eine Bewährungsprobe für sie beide geben würde.
     
    Phillip grübelte den ganzen Nachmittag über Janets Reaktion am Telefon nach. Sie war fassungslos gewesen vor Entsetzen. Und zwar, wie ihm klar wurde, als er das Gespräch rekonstruierte, weniger wegen der Tatsache, daß Maximilian aus der Klinik davongelaufen war, als vielmehr deswegen, weil Mario mit einem Mädchen in Urlaub gefahren war. Allen Ernstes schien sie eine Wiederholung der Tragödie zu befürchten. Ohne daß er es wußte, kam Phillip auf den gleichen Gedanken wie Andrew: Gab es einen Hinweis auf die Möglichkeit, daß auch Mario krank war? Wußte Janet davon, ohne daß sie es jemandem gesagt hatte?
    Abgesehen von dieser Geschichte hatte ihn das Gespräch vor allem deshalb aufgewühlt, weil er mit feinem Instinkt gespürt hatte, daß in Janet der Abschied bereits vollzogen war. Ihr ganzes Problem bestand nur noch darin, für ihn das Ende schonend zu gestalten. Sie wollte
ihm nicht weh tun und wußte doch, daß sie ihn tief verletzen würde. Er hatte sich das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lassen, vor sehr langer Zeit schon. Vor achtzehn Jahren hätte er sie vor die Tür setzen sollen, nach ihrer sechsjährigen Affäre mit Davies, als sie sich der kleinen Kinder wegen nicht entschließen konnte, von sich aus auszubrechen; als Andrew Davies ihr wohl zudem noch zu unzuverlässig schien, als daß sie ihr Familienleben aufs Spiel gesetzt hätte. Und er, Volltrottel, der er war, hatte sie dankbar in die sichere Geborgenheit seiner Arme zurückgenommen. Nun hatte er keine Entscheidungsfreiheit mehr.
    Das hieß - ihm blieb doch noch etwas. Keine Möglichkeit mehr, an der Sache etwas zu ändern, aber noch immer die Chance, die Flucht nach vorne zu ergreifen, Janet einen Schritt voraus zu sein. Es war Freitag, später Nachmittag. Heute konnte er nichts mehr tun, aber am Montag früh würde er zu einem Anwalt gehen und die Scheidung einreichen.
    Der Einfall belebte ihn. Er machte ihn nicht glücklicher, aber er versetzte ihm einen Adrenalinstoß, der zumindest für eine kurze Zeit die körperliche Schwere seiner Depression aufhob. Er wollte sofort seinen Anwalt anrufen, der ihn zwar kaum in der Angelegenheit vertreten würde, da er nicht auf Scheidungen spezialisiert und zudem mit Janet befreundet war, aber er würde ihm einen guten Namen nennen können. Es ging Phillip nicht darum, bei der Sache gut wegzukommen, es machte ihm nichts aus, Janet die Hälfte all seines materiellen Besitzes auszuzahlen, oder mehr, wenn sie wollte. Es ging vor allem darum, sich endlich morgens im Spiegel wieder ins Gesicht sehen zu können.
    Während er noch nach der Nummer des Anwalts suchte, klingelte das Telefon.

    Halb und halb hatte er erwartet, es wäre Janet, aber er vernahm die Stimme eines Mannes, die ihm vage bekannt vorkam. Die Stimme vermittelte den Eindruck einer eigenartigen Mischung aus tiefster Erschöpfung und beinahe verzweifelter Erregung.
    »Michael Weiss hier. Ich habe es bereits in Ihrem Büro versucht, aber da lief nur der Anrufbeantworter.«
    Phillip, der nichts wußte von Michaels Beruf, fragte sich, weshalb sich dieser Mann immer wie ein Ankläger anhörte. Er hatte schon wieder das Gefühl, sich entschuldigen zu müssen.
    »Mein Büro ist zur Zeit nicht besetzt«, erklärte er.
    »Ich habe ein großes Problem, Herr Beerbaum. Ich erreiche meine Tochter nicht.«
    Der Mann war neurotisch! Kein Wunder, daß seine Tochter nicht ans

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