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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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hinzu,
wenn das Gedächtnis ihn im Stich ließ, und sagte:
    »Meine liebe Schwester, sei Untertan deinem Gatten, wie die
Kirche Jesus Untertan ist. Präge dir ein, alles mußt du aufgeben,
um ihm nachzufolgen als treue Dienerin. Du wirst Vater und Mutter
verlassen und deinem Gatten anhangen, du wirst ihm gehorsam sein,
auf daß du Gott selber gehorsam seiest. Und dein Joch sei ein
Liebesjoch, ein Friedensjoch. Sei seine Ruhestatt, seine
Glückseligkeit, der Duft seiner guten Werke, das Heil seiner
schweren Stunden. Er finde dich immer an seiner Seite wie eine
Gnadengabe. Er muß die Hand nur auszustrecken brauchen, um die
deine ergreifen zu können. Solcherart werdet ihr zu zweit wandeln,
ohne jemals irre zu gehen, und ihr werdet das Glück finden in der
Erfüllung göttlicher Gesetze. O teure Schwester, liebe Tochter,
deine Unterwerfung wird eine Fülle sanfter Früchte tragen; sie wird
häusliche Tugenden in dir erwecken, die Herdfreuden, Wohlstand
frommer Familien. Sei zugetan deinem Gatten mit der Zärtlichkeit
Rahels, der Weisheit Rebekkas, der langen
Treue Saras. Sage dir, daß ein reines Leben zu allem Guten führt.
Bitte Gott allmorgendlich um die Kraft, als pflichtgetreue Frau zu
leben; die Strafe würde entsetzlich sein, du würdest deiner Liebe
verlustig gehen. Oh, ohne Liebe zu leben, Fleisch vom Fleisch zu
reißen, nicht mehr dem anzugehören, der die Hälfte ist deiner
selbst, hinzusterben fern von dem einstmals Geliebten! Du streckst
die Arme aus, und er wendet sich ab von dir! Du würdest nach
Freuden ausspähen und nur Scham finden auf dem Grund deines
Herzens. Höre auf mich, meine Tochter, in dir, in deiner Reinheit,
deiner Liebe hat Gott begründet die Kraft eurer Verbindung.«
    Hier vernahm man vom anderen Ende der Kirche her ein Gelächter.
Das Kind war auf dem Stuhl erwacht, dort, wo die Teufin es gebettet
hatte. Aber nicht mehr unartig war es; es belustigte sich ganz für
sich, nach Durchstrampeln der Windeln, aus denen kleine rosa Füße
sich streckten und in der Luft zappelten. Und über diese Füßchen
mußte es lachen.
    Rosalie, gelangweilt von der priesterlichen Anrede, wandte
schnell den Kopf und lächelte dem Kind zu. Als sie es aber auf dem
Stuhl zappeln sah, bekam sie Angst. Sie warf Katharina einen
grimmigen Blick zu.
    »Guck' mich nur an,« knurrte diese. »Ich nehme es nicht noch
einmal … damit es wieder losbrüllt.«
    Und sie begab sich unter die Empore, um ein Ameisenloch in einer
eingestoßenen Bodenplatte zu belauern.
    »Herr Caffin machte es kürzer,« sagte die Fuchsige. »Als er die
schöne Mieze traute, gab er ihr nur zwei Kläpse auf die Backe und
ermahnte sie, brav zu sein.«
    »Mein lieber Bruder,« fuhr der Abbé Mouret
fort, halb dem langen Fortunat zugewandt. »Gott gibt dir heute eine
Gefährtin; denn es ist nicht sein Wille, daß der Mensch allein sei.
Hat er aber bestimmt, sie solle dir Untertan sein, so verlangt er
von dir, daß du ihr ein gütevoller, liebevoller Herr seiest. Liebe
sie; sie ist Fleisch von deinem Fleisch, Blut von deinem Blut, Bein
von deinem Bein. Du sollst sie beschützen, weil Gott deine Arme
stark sein ließ, auf daß du sie halten könntest über ihrem Haupt in
der Stunde der Gefahr. Sei eingedenk, daß sie dir anvertraut ist;
sie ist die Ergebung und Schwäche, die du nicht mißbrauchen kannst,
ohne dich zu versündigen! O mein lieber Bruder, wie stolz und
glücklich mußt du sein! In Zukunft wirst du nicht mehr in einsamer
Selbstsucht leben. Allstündlich gibt es eine anbetungswürdige
Pflicht für dich. Nichts Besseres gibt es als Liebe, nichts
Erhabeneres, als die Geliebten zu schützen. Dein Herz wird sich
erheben, deine Manneskraft wird sich verhundertfachen. O stützen zu
dürfen, Zärtlichkeit anvertraut zu bekommen, zu erleben, daß eine
Jungfrau ganz aufgeht in dir und spricht: ›Nimm mich hin, mach' mit
mir, was du willst, ich vertraue deiner Ehrlichkeit!‹ Und verdammt
sollst du sein, wenn du sie jemals verläßt! Die feigste
Nichtachtung wäre das, die Gott zu strafen hätte. Vom Augenblick,
da sie sich dir schenkte, ist sie dein für immer. Trage sie auf
Händen, laß sie nicht zur Erde gleiten, bis daß du nicht sicher,
daß ihr Fuß nicht strauchelt. Kehre dich ab von allem, mein lieber
Bruder … «
    Die Stimme des Abbé Mouret klang ganz verändert; man vernahm nur
noch undeutliches Raunen. Seine Lider bedeckten die Augen
vollständig, das Antlitz war tief erblaßt;
er sprach in so schmerzlicher Ergriffenheit, daß

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