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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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aufgefunden
hatte mit verbissenen Zähnen und eisigen Wangen, wie tot.
    »Kommen Sie, Fräulein,« sagte sie zu Desiderata, die ihren Kopf
zur Sakristeitüre hereinsteckte. »Da ist er nun wieder und tut sich
Schaden… Sie wissen ja, er hört nur auf Sie.«
    Desiderata lächelte.
    »Sapperlot, wir müssen frühstücken,« murmelte sie. »Ich habe
entsetzlichen Hunger.«
    Auf den Fußspitzen ging sie auf den Priester zu. Als sie ganz
nahe war, nahm sie ihn um den Hals und küßte ihn.
    »Guten Tag, Bruder,« sagte sie, »du willst mich wohl verhungern
lassen heute?«
    Er hob ein so leidensvolles Antlitz zu ihr, daß sie ihn nochmals
küßte auf beide Wangen; aus Todeskämpfen kam er. Dann erkannte er
sie und wehrte sie sanft ab; aber sie bemächtigte sich einer seiner
Hände und gab sie nicht frei. Kaum, daß sie ihm Zeit ließ, sich zu
bekreuzigen. Sie zog ihn mit sich fort.
    »Ich hab' doch solchen Hunger, komm. Auch du mußt hungrig
sein.«
    Die Teusin hatte das Frühstück am hinteren Ende des kleinen
Gartens gedeckt, unter zwei großen Maulbeerbäumen, deren
ausgebreitete Zweige ein Blätterdach bildeten. Die Sonne durchbrach
endlich die morgendlichen Gewitterschwaden, schien warm über die
Gemüsebeete. Ein Maulbeerbaum warf breiten Schatten über den
wackeligen Tisch, auf dem zwei Tassen Milch standen, neben
dickbestrichenen Brotschnitten.
    »Siehst du, wie hübsch,« sagte Desiderata, begeistert über die
Freiluftmahlzeit. Sie schnitt sich schon gehörigeTunkstreifchen vom Brot herunter und verzehrte sie
mit bestem Appetit. Da die Teusin vor ihnen stehenblieb:
    »Ißt du denn nichts?« fragte sie.
    »Gleich,« antwortete die alte Dienerin, »meine Suppe kocht.«
    Nach einer kleinen Pause, während sie voller Bewunderung den
Kauleistungen des großen Kindes zusah, begann sie wiederum, zum
Priester gewandt:
    »So was freut einen… Macht Ihnen das nicht Hunger, Herr Pfarrer?
Sie müssen sich zwingen.«
    Der Abbé Mouret betrachtete lächelnd seine Schwester.
    »Oh, es geht ihr gut, alle Tage nimmt sie zu,« sagte er.
    »Natürlich, weil ich esse,« rief Desiderata aus. »Wenn du äßest,
würdest du auch dick werden. Bist du denn noch krank? Ganz betrübt
siehst du aus… Ich will nicht, daß das wieder losgeht… Hörst du?
Ich habe mich zu sehr nach dir gebangt, als man dich fortgebracht
hatte, um dich gesund zu machen.«
    »Recht hat sie,« sagte die Teusin. »Sie sind nicht bei Trost,
Herr Pfarrer; von zwei oder drei Brocken am Tag, so einem
Vogelfutter, kann man nicht leben. Wovon wollen Sie denn Blut
bekommen, lieber Gott! Deshalb werden Sie immer blasser. Schämen
Sie sich denn nicht, immer nagelmager zu bleiben, während wir so
tüchtig Fett ansetzen, wir, die wir doch nur Frauen sind! Man wird
glauben, wir äßen Ihnen alles auf!«
    Beide in draller Gesundheit, zankten ihn freundschaftlich aus.
Seine Augen blickten groß, sehr hell, und wie Leere war es hinter
ihnen. Er lächelte unentwegt.
    »Ich fühle mich nicht unwohl,« sagte er als Antwort. »Ich bin
fast fertig mit meiner Milch.«
    Er hatte zwei kleine Schluck zu sich
genommen, ohne das Brot anzurühren.
    »Tieren geht es besser als Menschen,« sagte Desiderata
nachdenklich.
    »Na, das ist ja nett, was Sie da entdeckt haben,« schrie die
Teusin lachend auf.
    Aber die zwanzigjährige Einfalt hatte an nichts Böses
gedacht.
    »Doch, wirklich,« fuhr sie fort, »Hühner haben doch nie
Kopfschmerzen, nicht wahr? Die Kaninchen lassen sich misten nach
Herzenslust. Und mein Schwein, findest du etwa, daß es je traurig
aussieht?«
    Dann, beseligt, zu ihrem Bruder:
    »Matthias hab' ich es genannt, weil es dem dicken Mann ähnlich
sieht, der uns die Briefe bringt. Es ist hübsch fett geworden… Es
ist nicht nett von dir, daß du dich immer weigerst, es zu
betrachten. Einen von diesen Tagen darf ich es dir vorführen,
nicht?«
    Während sie ihn noch umschmeichelte, griff sie nach den
Brotschnitten ihres Bruders. Mit einer war sie fertig, die zweite
kam an die Reihe, da merkte die Teusin, was vor sich ging.
    »Dies Brot gehört nicht Ihnen! Jetzt nehmen Sie ihm sogar die
Bissen aus dem Mund!«
    »Lassen Sie's gut sein,« sagte sanft der Abbé Mouret, »ich hätte
es nicht berührt… iß, iß nur alles auf, mein Liebling.«
    Desiderata hatte einen Augenblick verwirrt innegehalten und das
Brot betrachtet, sie nahm sich zusammen, um nicht zu weinen. Dann
lachte sie, aß die Schnitte fertig und redete weiter:
    »Auch meine Kuh ist nicht betrübt wie du…

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