Die Sünde des Abbé Mouret
du
warst nicht hier, als Onkel Pascal sie mir schenkte und mir das
Versprechen abnahm, artig zu sein. Sonst hättest du gesehen, wie
sie sich freute, als ich sie zum erstenmal küßte.«
Sie lauschte. Ein Hahnenschrei erklang auf dem Hof, immer
anwachsender Spektakel, Flügelschlagen, Gezeter, rauhes Geschrei,
Panik erbosten Getiers.
»Ach, denk dir nur,« fing sie plötzlich wieder an und klatschte
in die Hände. »Trächtig muß sie sein… Ich habe sie zum Stier
gebracht, drei Meilen weit, nach Béage. Stiere gibt es eben nicht
überall!… Wie sie bei ihm war, blieb ich, um zuzusehen.«
Die Teusin sah achselzuckend und geärgert den Priester an.
»Sie täten besser, Fräulein, Frieden zu stiften bei Ihren
Hühnern … Sie bringen einander um.«
Aber Desiderata blieb bei ihrer Geschichte.
»Er ist auf sie gestiegen und hat sie zwischen die Hufe
genommen… Es war zum Lachen. Obgleich es da gar nichts zum Lachen
gibt, es ist doch in der Ordnung. Die Mütter müssen Kleine
bekommen, nicht wahr?… Sag doch? Glaubst du, daß sie ein Junges
bekommen wird?«
Der Abbé Mouret machte eine unbestimmte Bewegung. Seine Lider
hatten sich gesenkt vor dem klaren Blick des jungen Mädchens.
»So laufen Sie doch,« rief die Teusin, »sie fressen sich
auf.«
Der Zank im Hof wurde so heftig, daß Desiderata mit viel
Röckerauschen davonlief, der Priester rief sie zurück.
»Und die Milch, liebe Kleine, du hast die Milch nicht
ausgetrunken.«
Er hielt ihr die Tasse hin, die er kaum
berührt hatte. Sie kam zurück, trank ohne alle Bedenken die Milch,
den Zornblicken der Teuse zum Trotz. Dann raffte sie sich aufs neue
auf, lief zum Hof; man hörte sie Ruhe stiften. Sie schien sich
mitten unter ihre Tiere gesetzt zu haben; leise sang sie vor sich
hin, wie, um sie einzuschläfern.
Kapitel 3
»Jetzt ist meine Suppe zu heiß,« grollte die Teusin, die aus der
Küche zurückkam mit einem Napf, in dem ein Holzlöffel aufrecht
stak.
Sie blieb vor dem Abbé Mouret stehen und fing an, vorsichtig zu
essen, von der äußersten Löffelspitze. Sie hoffte, ihn
aufzuheitern, ihn aus dem trüben Schweigen zu reißen, in das er
versunken war. Seit seiner Rückkehr vom Paradeis sagte er, er sei
wiederhergestellt, klagte nie; öfter sogar lächelte er so sanft,
daß nach dem Gerede der Leute im Artaud die Krankheit seine
Heiligkeit noch erhöht hatte.
Aber zu Zeiten bekam er Schweigsamkeitsanfälle; gemartert schien
er umhergetrieben zu werden, alle seine Kräfte angespannt, nichts
verlauten zu lassen; eine stumme Qual war es, die ihn verstörte und
für Stunden geistig lähmte, ihn schrecklichem inneren Kampf
auslieferte, dessen Heftigkeit nur wahrzunehmen war am
Angstschweiß, der sein Antlitz überfloß. Die Teusin wich ihm dann
nicht von der Seite, redete betäubend auf ihn ein, bis er nach und
nach zu seinem sanften Gehaben zurückfand, als Sieger über den
Aufruhr seines Blutes. An diesem Morgen ahnte die alte Magd einen
noch schlimmeren Überfall als sonst. Sie erging sich in
lebhaftem Geschwätz, während sie
vorsichtig am Löffel versuchte, der ihr die Zunge verbrannte.
»Man muß wirklich in einem Land wohnen, wo die Wölfe sich gute
Nacht sagen, um so etwas zu sehen. Läßt man sich in einem
ordentlichen Dorf jemals trauen, wenn es noch nicht hell ist? Das
zeigt zur Genüge, daß die Leute hier alle nicht viel wert sind… In
der Normandie hab ich Hochzeiten mitgemacht, über die man drei
Meilen im Umkreis sprach. Drei Tage lang saß man bei Tisch. Der
Pfarrer war dabei, der Bürgermeister ebenso. Zu der Hochzeit einer
meiner Cousinen kamen sogar die Feuerwehrleute. Und lustig war
es! … Aber einen Priester vor Sonnenaufgang aufzustören und
sich zusammentun zu lassen, wenn selbst die Hühner noch schlafen,
das ist doch Unvernunft! An Ihrer Stelle hätte ich mich geweigert,
Herr Pfarrer… Himmlische Güte! Sie haben sich nicht ausschlafen
können und sich vermutlich erkältet in der Kirche. Das hat Sie so
angegriffen. Dazu möchte man noch lieber unvernünftiges Vieh
trauen, als die Rosalie und ihren Lüderjan, samt dem Knirps, der
einen Stuhl bepißt hat… Es ist unrecht, mir nicht zu sagen, wo Sie
sich schlecht fühlen … Ich könnte Ihnen etwas Heißes zu
trinken geben … Nicht? Herr Pfarrer, geben Sie mir
Antwort!«
Matt erwiderte er, es ginge ihm gut, er brauche nur etwas Luft.
Schweratmend lehnte er, an einem der Maulbeerbäume.
»Gut, gut, machen Sie nur, was Sie wollen,« hob die Teusin
wieder an.
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