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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Knie vor den Altar, wie die
Rosalie … Ich werfe euch hinaus, wenn ihr euch mausig macht,
versteht ihr?«
    Die kupferigen Wangen der Fuchsigen färbten sich etwas tiefer,
während Babet hohnlächelnd ihre Gestalt musterte.
    »Und du,« fuhr die Teufin fort, sich nach Katharina umdrehend,
»wirst du wohl das Kind in Ruhe lassen. Du kneifst es, damit es
schreit. Lüge nicht … Gib es her!«
    Sie griff es auf, wiegte es einen Augenblick, legte es auf einen
Stuhl, wo es engelhaft friedlich einschlief. Die Kirche verfiel
wieder ihrer trüben Ruhe, die nur vom Gezwitscher der Spatzen in
der Eberesche unterbrochen wurde. Am Altar hatte Vinzenz das
Meßbuch nach rechts zurückgebracht, der Abbé Mouret faltete eben
das Corporale und ließ es in den Beutel gleiten; er sprach die
Endgebete in strenger Sammlung; weder das Weinen des Kindes noch
die lachenden Mädchen vermochten ihn zu
stören. Er schien taub für alles zu sein, ganz in den Wünschen
aufzugehen, die er zum Himmel schickte für das Glück des von ihm
getrauten Paares. An diesem Tage blieb der Himmel überwölkt von
staubigen Hitzwellen, in denen die Sonne verdämmerte. Durch die
zerborstenen Scheiben drang nur ein rötlicher Schimmer, der einen
gewitterschwülen Tag ankündete.
    Die grellbemalten Bilder des Kreuzweges an den Wänden zeigten
überdüstert ihr Gelb, Blau und Rot. Im Hintergrund des Schiffes
krachte das trockene Holzwerk der Tribüne; während das ins Kraut
geschossene Gras des Vorplatzes unter der großen Pforte langreife
Halme durchschob, auf denen es sich regte von kleinen braunen
Heuschrecken. Durch die Uhr im Holzgehäuse ging ein Schnurren, als
wollte sie sich räuspern; dann schlug sie dumpf halb sieben.
    »
Ite missa est
«, sagte der Priester, der Kirche
zugewandt.
    »
Deo gratias
,« antwortete Vinzenz. Nachdem er dann den
Altar geküßt hatte, wendete der Abbé Mouret sich wieder und sprach
leise über den gebeugten Nacken der Getrauten das Endgebet:
    »
Deus Abraham, deus Isaac, et deus Jacob vobiscum sit

«
    Seine Stimme verlor sich in sanfter Eintönigkeit.
    »So, jetzt wird er zu ihnen reden,« flüsterte Babet ihren
Freundinnen zu.
    »Wie blaß er ist,« ließ sich Lisa vernehmen. »Nicht wie Herr
Caffin, dessen dickes Gesicht immer lachte … Rose, mein
Schwesterchen, hat mir erzählt, daß sie nicht den Mut hat, beim
Beichten den Mund aufzutun.«
    »Wie dem auch sei,« munkelte die Fuchsige,
»ein hübscher Mann ist er. Seit der Krankheit sieht er etwas älter
aus, aber es steht ihm gut. Seine Augen sind größer geworden, und
am Mund hat er zwei Falten bekommen, die ihm ein männliches Ansehen
geben… Vor dem Fieber war er zu sehr wie ein Mädchen.«
    »Er hat einen Kummer, will mir scheinen,« fing die Babet wieder
an. »Es ist, als ob er sich innerlich verzehrt. Sein Gesicht sieht
wie abgestorben aus, nur die Augen glänzen, und wie! Seht doch,
wenn er so die Lider langsam senkt, wie um die Augen
auszulöschen.«
    Die Teufin schwenkte ihren Besen.
    »Scht,« machte sie so nachdrücklich, daß ein Windstoß sich in
die Kirche verirrt zu haben schien.
    Der Abbé Mouret hatte sich gesammelt. Fast unhörbar begann
er:
    »Mein lieber Bruder, meine liebe Schwester, ihr seid in Jesu
verbunden. Die Ehe ist das Sinnbild der geheiligten Einung Jesu und
seiner Kirche. Sie ist eine unzerreißbare Bindung, von Gott zur
Ewigkeit bestimmt, und der Mensch soll nicht trennen, was der
Himmel zusammentat. Indem er euch Bein von einem Bein werden ließ,
hat Gott euch dazu bestimmt, Seit' an Seite zu ziehen als treues
Paar, auf den Wegen, die seine Allmacht euch bereitet. Und ihr müßt
euch lieben in der göttlichen Liebe selbst. Die kleinste Bitterkeit
zwischen euch wäre ein Ungehorsam gegen den Schöpfer, der euch zu
einem Leibe schuf. Bleibt also einig immerdar, zum Gleichnis der
Kirche, der Jesus sich vertraute, als er uns sein Fleisch, sein
Blut gab.«
    Der lange Fortunat und die Rosalie hörten
mit neugierig erhobenen Nasen zu.
    »Was sagt er?« fragte Lisa, die nicht recht verstand.
    »Gott, er sagt, was eben immer gesagt wird,« gab die Fuchsige
zur Antwort. »Er hat eine geschickte Zunge, wie alle Pfarrer.«
    Währenddem fuhr der Abbé Mouret fort, seinen Spruch zu sagen und
über die Köpfe der Hochzeiter in einen Winkel der Kirche zu
starren. Nach und nach wurde seine Stimme weich; in die ehemals aus
einem Handbuch für junge Vikare erlernten Worte stieg Rührung. Er
hatte sich etwas zu Rosalie gewendet, fügte bewegte Sätze

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