Die Sünde des Abbé Mouret
wie sie. Bis zu meinem
achtzehnten Jahre habe ich die Erde bebaut. Und später im Institut
mußte ich fegen, Kartoffeln schälen, alle groben Arbeiten
verrichten. Ihre schwere Arbeit mach' ich ihnen nicht zum Vorwurf.
Im Gegenteil, Gott hat eine Vorliebe für die in Niedrigkeit
Lebenden… Die Leute im Artaud führen sich aber auf wie das Vieh,
sehen Sie! Nicht besser wie ihre Hunde sind sie, die auch nicht zur
Messe kommen und sich um die Gebote Gottes und der Kirche nicht
kümmern. Sie lieben ihre Brocken Erde so, daß sie am liebsten mit
ihnen Unzucht treiben möchten!«
Packan blieb mit erhobenem Schweif stehen und setzte sich wieder
in Trab, nachdem er sich versichert hatte, daß die beiden Männer
ihm immer noch folgten. »Ja, es kommt wirklich zu beklagenswerten
Ausschreitungen,« sagte der Abbé. »Mein Vorgänger, Abbé
Caffin … « »Dieser Jammermann,« unterbrach ihn der Bruder. »Er
wurde uns aus der Normandie geschickt, nach einer garstigen
Geschichte. Hier hat er es sich lediglich angelegen sein lassen,
ein löbliches Leben zu führen; alles ging, wie es wollte.«
»Nicht doch, der Abbé Caffin hat sicherlich getan, was er
vermochte; allerdings muß man zugeben, daß seine Bemühungen fast
ohne Nutzen blieben. Auch die meinen sind zumeist erfolglos.«
Bruder Archangias zuckte die Achseln. Wortlos ging er kurze Zeit
und warf seinen hageren großen Körper hin und her. Die Sonne
strahlte auf seine verbrannte Nackenhaut, sein hartes,
messerscharfes Bauerngesicht war beschattet.
»Hören Sie, Herr Pfarrer,« fing er endlich
wieder an, »ich bin zu gering, um Ihnen Vorschriften machen zu
dürfen; allein ich bin fast doppelt so alt wie Sie und kenne mich
hier aus, und das berechtigt mich, Sie darauf aufmerksam zu machen,
daß Sie mit Güte nichts erreichen werden … Der Katechismus
genügt, merken Sie sich das. Gott hat für die Ungläubigen keine
Gnaden. Er läßt sie brennen. Daran halten Sie sich.«
Und da der Abbé Mouret den Kopf senkte und nichts erwiderte,
fuhr er fort: »Auf dem Land wird man der Religion abtrünnig, weil
sie zum alten Weib geworden ist. Man hatte Ehrfurcht vor ihr,
solange sie sich als unnachsichtige Herrin gebärdete … Ich
weiß nicht, was euch in den Seminaren beigebracht wird. Die Pfarrer
von heute weinen wie die Unmündigen mit ihren Pfarrkindern. Gott
hat ein ganz anderes Ansehen bekommen …
Ich möchte einen Eid darauf leisten, Herr Pfarrer, daß sie ihren
Katechismus nicht mehr auswendig können?«
Den Priester verletzte dieser Wille, der so rauh sich ihm
aufzudrängen suchte; er hob den Kopf und sagte mit einiger Kühle:
»Lassen Sie's gut sein, Ihr Eifer ist sicher lobenswert, aber
hatten Sie mir nichts zu sagen? Sie waren in der Pfarrei heute
morgen, nicht wahr?«
Grob antwortete Bruder Archangias: »Ich hatte Ihnen zu sagen,
was ich Ihnen eben sagte … Die Leute leben hier im Artaud wie
die Schweine. Gestern erst erfuhr ich, daß Rosalie, Vater
Bambousses Älteste, schwanger ist. Sämtlich warten sie das ab, um
sich zu verheiraten. Seit fünfzehn Jahren hab' ich keine gekannt,
die nicht im Heu gewesen wäre vor der Trauung. Und lachend erklären
sie dann, das sei nun mal so Sitte hierzuland!«
»In der Tat,« murmelte der Abbé Mouret, »es
ist ein großes Ärgernis … Gerade bin ich auf dem Wege zum
Vater Bambousse, um diese Angelegenheit mit ihm zu besprechen. Es
wäre jetzt wünschenswert, die Hochzeit fände so bald als möglich
statt … Der Vater des Kindes soll Fortunat, der älteste
Brichet, sein. Unglücklicherweise sind die Brichets arm.«
»Die Rosalie!« fuhr der Bruder fort, »gerade achtzehn ist sie.
Das ist auf der Schulbank schon gefallen. Es sind noch nicht vier
Jahre her, da kam sie noch zu mir. Sie war schon damals lasterhaft.
Jetzt ist ihre Schwester Katharina bei mir, ein Mädel von elf
Jahren, die noch schamloser zu werden verspricht als die ältere
Schwester. In allen Ecken trifft man sie mit dem Tunichtgut
Vinzenz. Gehen Sie mir, man mag ihnen die Ohren noch so lang
ziehen, das Weib regt sich schon in ihnen. Sie tragen die
Verdammnis in den Röcken. Geschöpfe, die auf den Mist gehören in
ihrem stinkenden Unwert! Wenn man gleich nach der Geburt allen
Mädeln den Hals umdrehte, so wäre das eine tüchtige Entlastung.«
Haß, Abscheu vor dem Weib ließen ihn fluchen wie ein Fuhrmann. Der
Abbé Mouret, der ihm mit ruhigem Gesicht zugehört hatte, mußte
schließlich über seine Heftigkeit lächeln. Er rief Packan, der in
ein
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