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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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benachbartes Feld abgebogen war.
    »Ei, sehen Sie wohl!« rief Bruder Archangias und deutete auf
eine Kinderschar, die sich unten in einer Schlucht erging, »hier
also sind die Taugenichtse, die die Schule versäumen unter dem
Vorwande, ihren Eltern im Weinberg helfen zu müssen! … Sie
können sicher sein, daß die liederliche Kathrina mitten darunter
ist. Es macht ihr Spaß, Abhänge hinabzurutschen; Sie werden
sehen, wie die Röcke ihr über dem Kopf
zusammenschlagen. Da! hab' ich es nicht gesagt! … Auf heute
abend, Herr Pfarrer … Wartet nur, wartet, ihr Schlingel!«
    Damit rannte er davon, die unsauberen Beffchen flatterten ihm
über die Schulter, und die lange, schmierige Sutane entwurzelte die
Disteln. Der Abbé Mouret sah zu, wie er sich mitten unter die
Kinderbande stürzte, die nach allen Seiten auseinanderstob, wie
eine Schar erschreckter Spatzen. Es war ihm aber gelungen,
Katharina und irgendeinen Bengel bei den Ohren zu bekommen. Er
führte sie in der Richtung des Dorfes ab, hielt sie fest mit seinen
großen, behaarten Händen und überhäufte sie mit Scheltworten.
    Der Priester setzte seinen Weg fort. Bruder Archangias gab ihm
des öfteren Anlaß zu eigenartigen Skrupeln: in seiner
Gewöhnlichkeit und Derbheit kam er ihm vor wie der wahrhafte
Gottesmann, ohne irdische Bande, dem Himmel gegenüber botmäßig,
demütig, herb gegen die Sünde aufgerichtet. Und er war verzweifelt,
sich nicht mehr seiner Körperlichkeit entäußern zu können, nicht
häßlich und ekelhaft zu sein, bedeckt mit dem Ungeziefer mancher
Heiligen. Wenn der Bruder ihn durch zu rohe Worte in Harnisch
brachte, ihn durch irgendwelche zu hitzige Grobheiten verletzte,
warf er sich hinterher seine Empfindlichkeit und seinen angeborenen
Stolz vor, wie ernstliche Verfehlungen. Müßte er nicht aller
Menschenschwachheit abgestorben sein? Auch diesmal lächelte er
traurig, als er bedachte, wie er sich fast über die heftigen
Belehrungen des Bruders erzürnt hätte. Stolz war's, sagte er bei
sich, der ihn zu Fall bringen wollte und ihm Verachtung gegen die
Schlichtheit eingab. Aber gegen seinen Willen fühlte er sich erleichtert, allein zu sein, mit kleinen
Schritten zu wandern, im Brevier zu lesen, von der harten Stimme
befreit, die ihm seinen Traum reiner Zärtlichkeit trüben
wollte.

Kapitel 6
     
    Die Straße wand sich zwischen Felsstürzen, wo die Bauern hie und
da vier, fünf Meter kreidigen Grund gewonnen hatten, der mit alten
Olivenbäumen bestanden war. Leise knirschte unter den Schritten des
Abbés der Sand. Traf ein wärmeres Wehen sein Antlitz, hob er
manchmal die Augen vom Buch, um ausfindig zu machen, woher diese
Liebkosung käme; aber sein Blick blieb verschleiert, streifte, ohne
zu sehen, über den Horizont hin, über die verbogenen Linien dieser
Passionslandschaft, die dürr und sonnenohnmächtig lag in der
Hingestrecktheit einer glühenden und unfruchtbaren Frau. Er zog den
Hut tiefer in die Stirne, um den lauen Lüften zu entgehen, nahm
seine Lektüre wieder auf; wobei seine Sutane im Staub hinter ihm
eine kleine Wolke aufwirbelte, die dicht über dem Boden zog.
    »Guten Tag, Herr Pfarrer,« sagte ein vorübergehender Bauer.
Hackenschläge den Feldflächen entlang scheuchten ihn aus seiner
Sammlung. Er wandte den Kopf und sah in den Weinspalieren große
knochige Greise, die ihn grüßten. Die Leute aus dem Artaud trieben
mit der Erde Unzucht, wie Bruder Archangias sagte. Hinter dem
Blätterwerk wurden schweißtriefende Stirnen sichtbar, keuchende
Leiber richteten sich langsam auf,– ein heißes Bemühen um
Befruchtung, das er mit seinem stillen Schreiten tiefsten Unwissens
durchwandelte. Keinerlei Erregung der großen Liebesarbeit, die die
Pracht des Morgens erfüllte, rührte sein Fleisch.
    »Holla! Packan, man frißt die Leute doch
nicht!« rief lustig eine kräftige Stimme, und suchte den Hund zu
beschwichtigen.
    Der Abbé Mouret hob den Kopf. »Sie sind es, Fortunat,« sagte der
Abbé und trat an den Rand des Feldes, auf dem der junge Bauer
arbeitete. »Gerade wollte ich mit Ihnen reden.« Fortunat stand im
gleichen Alter wie der Priester. Ein stattlicher Bursche war er,
dickfellig und dreist, gerade damit beschäftigt, ein Stück
steiniger Heide urbar zu machen.
    »Um was handelt es sich, Herr Pfarrer?« fragte er.
    »Es handelt sich um das, was sich zwischen Rosalie und Ihnen
zugetragen hat,« gab der Priester zur Antwort. Fortunat mußte
lachen. Er fand es sehr merkwürdig, daß ein Geistlicher sich um

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