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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Grasmückennest unter
einem Felsvorsprung. Seit mehr als zehn Tagen belauere ich
das … Weil die Jungen nun ausgekrochen sind, bin ich heute
morgen hergegangen, nachdem ich die Messe bedient hatte… «
    »Ein Grasmückennest!« sagte Bruder Archangias. »Warte nur!« Er
ging zur Seite, nahm ein Erdstück auf von einem Grab und
schleuderte es ins Gebüsch. Aber er verfehlte das Nest. Ein zweites
Wurfgeschoß traf die gebrechliche Wiege und warf die Vogeljungen in
den Strom. Sich die Hände abklopfend, fuhr er fort: »So, jetzt
wirst du es vielleicht unterlassen, dich wie ein Heide hier
herumzutreiben … die Toten werden dich bei den Füßen ziehen in
der Nacht, wenn du noch einmal auf ihnen herumtrampelst.«
    Vinzenz lachte auf, als das Nest sich überschlug, dann sah er
sich mit dem Achselzucken eines Geistesstarken um: »Oh, ich fürchte
mich nicht,« sagte er. »Die Toten, die rühren sich nicht!«
    Der Kirchhof hatte wirklich nichts Furchterregendes. Er nahm sich aus wie ein kahles Feld, auf dem sich die
schmalen Wege unter den wuchernden Gräsern verloren. Kleine
Erhöhungen des Erdreichs nahm man hin und wieder wahr. Ein einziger
aufrechter, ganz neuer Stein in der Mitte, der Grabstein des Abbé
Caffin, hob sich weiß ab. Sonst sah man nur zerbrochene Kreuze,
vertrocknete Buchsbaumzweige, alte gesprungene, mit Moos überzogene
Steinplatten. Kaum zweimal im Jahr gab es ein Begräbnis. Fast
vermochte man zu übersehen, daß der Tod auf diesem verwilderten
Gebiet hauste, von dem die Teusin allabendlich eine Schürze voll
Kräuter holte für Desideratas Kaninchen. Eine riesenhafte Zypresse,
die neben der Türe wuchs, warf einsam ihren Schatten über das
verwahrloste Feld. Drei Meilen in der Runde war diese Zypresse zu
sehen, und im ganzen Land gab man ihr den Namen: die Einsiedlerin.
»Es wimmelt hier von Eidechsen,« berichtete Vinzenz, der die
rissige Kirchenmauer betrachtete. »Lustig wäre es … «
    Mit einem Sprung aber zog er sich aus dem Bereich des Bruders
zurück, der den Fuß hob. Der Bruder machte den Pfarrer auf den
schlechten Zustand des Gitters aufmerksam. Es war vollkommen vom
Rost zerfressen, eine Angel war ausgehoben und das Schloß
zerbrochen.
    »Das müßte ausgebessert werden,« sagte er. Der Abbé Mouret
lächelte ohne zu antworten. Dann wendete er sich an Vinzenz, der
sich mit dem Hund herumzerrte: »Sag', Kleiner!« fragte er, »weißt
du, wo der Vater Bambousse heute morgen arbeitet?« Der Junge suchte
mit einem Blick den Horizont ab. »Er wird wohl bei seinen Oliven
sein,« antwortete er, nach links zeigend. »Packan kann sie führen,
Herr Pfarrer. Der weiß sicher, wo sein Herr steckt.« Dann klatschte er in die Hände und rief:
»Packan! Packan!«
    Der große schwarze Hund blieb einen Augenblick schweifwedelnd
stehen und suchte in dem Gesicht des Knaben zu lesen. Dann machte
er sich mit Freudengebell auf den Weg nach dem Dorf. Der Abbé
Mouret und Bruder Archangias gingen ihm nach. Hundert Schritte
weiter machte Vinzenz sich aus dem Staub und schlich sich
vorsichtig zur Kirche zurück, umsichtig und bereit, sich hinter
einen Busch zu flüchten, sollten sie den Kopf wenden. Mit
Schlangengewandtheit glitt er zurück auf den Kirchhof, jenem
Paradies, wo es Nester, Eidechsen und Blumen gab. Während Packan
auf der staubigen Straße ihnen vorauslief, sagte Bruder Archangias
zu dem Priester: »Lassen Sie's gut sein, Herr Pfarrer, diese Kröten
sind Teufelssame. Um sie Gott wohlgefällig zu machen, müßte man
ihnen das Rückgrat zerbrechen. Ohne Glauben leben sie wie ihre
Väter. Seit fünfzehn Jahren bin ich nun hier; nicht einen einzigen
Christen habe ich heranwachsen sehen. Kaum sind sie aus meinem
Griff, adieu; sie denken nur an ihr Land, ihre Weinstöcke und
Oliven. Keiner setzt einen Fuß in die Kirche. Rohlinge sind sie,
die sich mit ihren Kieseln herumschlagen! Stockschläge müssen sie
haben, Herr Pfarrer, nur Stockschläge!« Er holte Atem und fügte
hinzu mit einer wilden Bewegung: »Sehen Sie, die Leute im Artaud
sind wie das Gestrüpp, das die Felsen zerfrißt. Eine Generation
genügte, um das ganze Land zu vergiften. Das krallt sich fest,
vermehrt sich, lebt allem zum Trotz. Feuer müßte vom Himmel fallen
wie auf Gomorra, um das Land zu säubern.«
    »Man darf nie an den Sündern verzweifeln,« äußerte der Abbé Mouret; seelenruhig wandelte er mit kleinen
Schritten dahin.
    »Ach was, die da sind des Teufels,« nahm der Bruder noch
heftiger das Wort. »Ich war ein Bauer

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