Die Sünde des Abbé Mouret
sich wieder an die Arbeit
gemacht. Er zuckte die Achsel, machte Witze und wurde immer
eigensinniger. Zu guter Letzt schrie er: »Schließlich, wenn Sie
einen Sack Korn von mir wollten, würden Sie mich doch
bezahlen … Warum soll ich meine Tochter umsonst geben!«
Entmutigt ging der Abbé Mouret. Als er den Weg abwärts stieg,
erblickte er Rosalie, die sich unter einem Olivenbaum mit Packan
balgte, der ihr das Gesicht ableckte, worüber sie lachen mußte. Sie
sagte zu dem Hund, mit fliegenden Röcken und unter lebhaftem
Gezappel:
»Du kitzelst mich, großes Biest. Hör auf!« Dann, als sie den
Priester sah, gab sie sich Mühe rot zu werden, strich ihre Kleider
zurecht und heulte wieder los. Er versuchte sie zu trösten und
versprach, ihrem Vater nochmals zuzureden, fügte hinzu, »daß sie
bis auf weiteres folgsam sein und den Verkehr mit Fortunat aufgeben
müsse, um ihre Sünde nicht noch zu erschweren.«
»Oh, jetzt,« flüsterte sie mit ihrem kecken Lächeln, »ist es ja
ganz gleich, wo es doch mal so weit ist.«
Er verstand nicht und malte ihr die Hölle, in der die schlimmen
Frauen brennen. Dann ließ er sie, seine Pflicht war getan, und
verfiel wieder in die Seelenheiterkeit, die es ihm ermöglichte,
ohne Erregung mitten durch den Sudel der Fleischlichkeit zu
wandeln.
Kapitel 7
Immer heißer wurde der Morgen. Die weite Felsenrunde war vom
ersten schönen Tag an von der Sonne mit Hochofenhitze durchglüht.
An der Sonnenhöhe wurde dem Abbé Mouret
klar, daß er gerade noch knapp Zeit hatte, um elf Uhr in der Pfarre
zurück zu sein, um sich den Unwillen der Teusin nicht zuzuziehen.
Sein Brevier hatte er gelesen, seine Pflicht bei Bambousse getan,
so eilte er schnellen Schrittes zurück und hielt von weitem
Ausschau nach dem Grau seiner Kirche, neben dem schwarzen Streifen,
den die große Einsiedlerzypresse über das Blau des Horizontes zog.
Im Hitzdämmern bedachte er die reichmöglichste Art, wie er am Abend
die Nische der Jungfrau ausschmücken könnte zu den Andachten des
Maienmonats. Der Weg breitete vor ihm einen Staubteppich, weich zum
beschreiten, von weißer, leuchtender Reinheit.
Als der Abbé beim
Croix-vert
den Weg
einschlagen wollte, der von Plassans nach Palud führt, zwang ihn
ein leichter Wagen, der die Steigung herabkam, hinter einem
Steinhaufen Schutz zu suchen. Als er den Kreuzweg überschritt, rief
eine Stimme ihn an.
»Hallo! Sergius, mein Junge!« Der Wagen hielt, ein Mann beugte
sich heraus. Der junge Priester erkannte einen seiner Onkel, den
Doktor Pascal Rougon, der von der Bevölkerung Plassans, wo er die
armen Leute umsonst behandelte, kurzweg Herr Pascal genannt wurde.
Trotzdem er kaum erst die Fünfzig überschritten hatte, war er schon
schneeweiß, hatte einen großen Bart und lange Haare, aus denen die
schöne Regelmäßigkeit seines Gesichtes gütig und vornehm
strahlte.
»Zu dieser Stunde irrst du hier im Staub herum!« sagte er,
beugte sich noch weiter vor und drückte dem Abbé beide Hände. »Hast
du nicht Angst, einen Sonnenstich zu bekommen?«
»Nicht mehr als Sie, lieber Onkel,« gab der
Priester lachend zur Antwort.
»Oh, mich schützt das Verdeck meines Wagens. Und dann, die
Kranken können nicht warten. Gestorben wird bei jeder Witterung,
mein Junge.«
Er sei auf dem Weg zu dem alten Jeanbernat, dem Verwalter des
Paradeis, erzählte er; der habe in der Nacht einen Schlaganfall
erlitten. Ein Nachbar Bauersmann, der nach Plassans auf den Markt
fuhr, hatte ihn benachrichtigt.
»Zu dieser Stunde wird er wohl tot sein,« fuhr er fort. »Na,
nachsehen muß man doch … Diese alten Kerle haben ein zähes
Leben.«
Er hob schon die Peitsche, als der Abbé Mouret ihn
zurückhielt.
»Einen Augenblick … Wieviel Uhr kann es sein, lieber
Onkel?«
»Viertel vor elf.«
Der Abbé zauderte. In den Ohren klang ihm die grimmige Stimme
der Teusin, die schimpfte, daß das Essen kalt würde. Aber er war
mutig und sagte schnell: »Ich begleite Sie, Onkel … Der Arme
möchte sich vielleicht mit Gott versöhnen in seiner
Todesstunde.«
Der Doktor Pascal konnte das Lachen nicht zurückhalten.
»Der! Jeanbernat!« sagte er. »O du meine Güte! Wenn du's fertig
bringst, den zu bekehren … Das macht nichts, komm immer mit.
Schon dein Anblick kann ihm auf die Beine helfen.« Der Priester
stieg ein. Dem Arzt tat sein Heiterkeitsausbruch leid, er war
voller Herzlichkeit, vergaß aber nicht das Pferd mit leichtem
Zungenschnalzen anzutreiben. Neugierig betrachtete
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