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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Haarsträubende
Geschichte!«
    »Nie ist sie zur ersten Kommunion gegangen,«
äußerte die Teusin halblaut mit einem leichten Schauder.
    »Nein, niemals,« wiederholte Bruder Archangias. »Sechzehn Jahre
muß sie jetzt sein. Wie ein Tier wächst sie auf. Auf allen Vieren
habe ich sie laufen sehen in einem Dickicht bei Palud.«
    »Auf allen Vieren,« flüsterte die Dienerin und wandte sich
besorgt zum Fenster.
    Der Abbé Mouret wollte einem Zweifel Ausdruck geben; der Bruder
fuhr auf.
    »Jawohl, auf allen Vieren! Und sie machte Sprünge wie eine
Wildkatze mit bis übers Knie aufgeschürzten Röcken. Ich hätte sie
schießen können, wäre ein Gewehr zur Hand gewesen. Man bringt Tiere
um, die Gott wohlgefälliger sind … Und dazu weiß man wohl, daß
sie allnächtlich das Artaud ummauzt. Sie gibt Töne von sich wie
eine läufige Katze. Wenn ihr jemals ein Mann in die Krallen kommt,
die da wird ihm sicherlich keinen Fetzen Fleisch auf den Knochen
lassen.«
    Sein ganzer Frauenhaß kam zum Vorschein, seine Faust krachte auf
den Tisch; er stieß seine gewohnheitsmäßigen Schimpfereien aus:
    »Der Teufel steckt in ihnen. Der Teufel stinkt aus ihnen;
überall, an Beinen, Armen, Leib. Das ist es, was die Dummköpfe
bezaubert.«
    Der Priester stimmte ihm durch Nicken bei. Die Heftigkeit Bruder
Archangias', die geschwätzigen Vergewaltigungen der Teusin waren
ihm wie Geißelhiebe, denen seine Schultern willig sich boten. Es
verursachte ihm fromme Freude, wenn er sich in Niedrigkeiten
vergrub, in die Roheit der Einfachen. Es schien ihm,
Himmelsfrieden erwarte ihn in dieser
Weltverachtung, in dieser Erniedringung seines ganzen Seins. Es
beglückte ihn, seinem Körper diese Mißhandlung zuzufügen, tat ihm
wohl, seine zarten Anlagen durch diese Gosse zu schleifen.
    »Alles Irdische ist Unrat,« flüsterte er und faltete seine
Serviette.
    Die Teusin deckte den Tisch ab. Sie wollte den Teller abnehmen,
auf den Desiderata das Amselnest gelegt hatte.
    »Sie werden da doch nicht schlafen, Fräulein Desiderata,« sagte
sie. »Was haben Sie nur mit den garstigen Tieren?«
    Desiderata hingegen verteidigte den Teller, schützte ihn mit
ihren bloßen Armen; sie lachte nicht mehr und ärgerte sich über die
Störung.
    »Man wird doch diese Vögel nicht behalten wollen, hoffe ich,«
rief Bruder Archangias aus. »Das brächte Unglück… Den Hals muß man
ihnen umdrehen.«
    Und schon streckte er seine großen Hände aus. Das junge Mädchen
sprang auf, trat bebend zurück und drückte das Nest fest an sich.
Sie starrte den Bruder an mit aufgeschürzten Lippen, dem Ausdruck
einer kampfbereiten Wölfin.
    »Rühren Sie die Tierchen nicht an,« stammelte sie. »Wie häßlich
Sie sind.«
    Sie betonte dies Wort so seltsam verächtlich, daß es den Abbé
Mouret zusammenfahren ließ, als ob die Häßlichkeit des Bruders ihm
zum ersten Male deutlich würde. Dieser beschränkte sich darauf, ein
Gebrumm auszustoßen. Er nährte einen dumpfen Haß gegen Desiderata,
deren tierhaft schönes Wachstum ihm zuwider war.
    Nachdem sie das Zimmer verlassen hatte, rückwärts, gehend und ohne ihn aus den Augen zu lassen, zuckte
er die Schultern und zerbiß zwischen den Zähnen ein zotiges Wort,
das niemand verstand.
    »Es ist besser, sie geht schlafen,« sagte die Teusin, »in der
Kirche nachher könnte sie uns stören.«
    »Ist jemand gekommen?« fragte der Abbé Mouret.
    »Eine ganze Weile schon sind die Mädchen draußen, mit Armen voll
Grünzeug… Ich stecke die Lampen an. Wir können gleich anfangen,
wenn Sie wollen.«
    Einige Sekunden später hörte man sie in der Sakristei fluchen
über die feuchten Streichhölzer. Bruder Archangias, mit dem
Priester allein, erkundigte sich in verdrießlichem Ton:
    »Für den Marienmonat?«
    »Ja,« antwortete der Priester, »in den letzten Tagen konnten die
Dorfmädchen wegen Arbeitsüberlastung nicht kommen, wie es der
Brauch ist, um die Kapelle der Jungfrau zu schmücken. Die Zeremonie
wurde auf heute abend verschoben.«
    »Ein alberner Brauch,« krächzte der Bruder. »Wenn ich mit
ansehen muß, wie sie ihre Zweige niederlegen, hab' ich Lust, sie
auf die Knie zu zwingen, damit sie ihre Abscheulichkeiten
wenigstens beichten, ehe sie den Altar berühren. Zu dulden, daß
Frauen ihre Kleider in Berührung bringen mit den heiligen
Reliquien, ist schändlich.«
    Der Abbé machte eine entschuldigende Bewegung. Er war seit
kurzem erst im Artaud, so mußte er den Gebräuchen folgen.
    »Paßt es Ihnen jetzt, Herr Pfarrer?«

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