Die Sünde des Abbé Mouret
Ausrufe,
klingendes Gelächter. Dann tönte es wie ein kurzes Streiten. Eine
trillernde Stimme, die den Abbé beunruhigte, ereiferte sich, redete
hastig und verlor sich in einem Sturm von Heiterkeit.
»Was gibt es da?« sagte er und erhob sich von seinem Stuhl.
Desiderata war mit einem Satz im Zimmer zurück. Sie versteckte
etwas unter ihrem umgeschlagenen Rock. Aufgeregt sagte sie:
»Wie drollig sie ist! Sie wollte nicht hereinkommen. Ich habe
sie festgehalten am Kleid, aber sie hat tüchtige Kräfte und ist mir
davongelaufen.«
»Von wem spricht sie?« erkundigte sich die Teusin, die aus der
Küche gelaufen kam mit einer Kartoffelspeise, über der ein Stück
Speck lag.
Das junge Mädchen hatte sich gesetzt. Mit unendlichen
Vorsichtsmaßregeln zog sie unter ihrem Rock ein Amselnest hervor,
in dem drei junge Amseln schliefen. Kaum erblickten die Vogeljungen
das Licht, reckten sie ihre zarten Hälse und öffneten verlangend
die blutroten Schnäblein. Desiderata klatschte begeistert in die
Hände in außerordentlicher Erregung angesichts dieser ihr fremden
Tierchen.
»Das Mädchen aus dem Paradeis war es!« rief der Abbé aus, dem
plötzlich die Erinnerung kam.
Die Teusin war ans Fenster gegangen.
»Wahrhaftig, an ihrer Grillenstimme hätte ich sie erkennen
sollen… Oh! die Zigeunerin. Seht nur, da hinten steht sie noch und
spioniert uns aus.«
Der Abbé Mouret trat herzu. In der Tat war es ihm, als sähe er
hinter einem Wacholderstrauch Albines orangefarbenen Rock
aufleuchten.
Aber Bruder Archangias hob sich wild hinter ihm, drohte mit
Fäusten, schüttelte sein grimmiges Haupt und donnerte:
»Der Teufel soll dich holen, Banditengeschmeiß. Bei den Haaren
werde ich dich um die Kirche schleifen, fang' ich dich hier bei
deinen Hexereien!«
Ein Gelächter, frisch wie nächtliche Lüfte, stieg vom Feld aus
auf.
Dann hörte man ein leichtfüßiges Laufen und das Gleiten eines
Kleides über Gras, wie ein Schlangenrieseln. Der Abbé Mouret, am
Fenster stehend, folgte mit dem Blick einer Blondheit, die zwischen
Föhrenstämmen wie Mondschein leuchtete. Von den Wiesen wehte es ihn
an, erfüllt mit dem zwingenden Duft des Laubes, dem Duft wilder
Blumen, den Albine ihren nackten Armen, ihrer bewegten Büste, ihren
entfesselten Haaren entwallen ließ.
»Verfluchte Tochter der Verdammnis!« grollte dumpf Bruder
Archangias und setzte sich wieder an den Tisch.
Gierig aß er seinen Speck und verschlang, anstatt des Brotes,
Kartoffeln in ganzen Stücken. Die Teusin vermochte Desiderata durch
nichts zum Essen zu bewegen. Das große Kind blieb in Verzückung vor
dem Amselnest, fragte, was die wohl fräßen, ob sie wohl Eier
legten, woran man die Männchen erkennen könne bei diesen
Tieren.
Aber die alte Dienerin durchfuhr es wie ein
Verdacht. Sie stützte sich auf ihr gesundes Bein und sah dem jungen
Pfarrer in die Augen.
»Sie kennen also die Leute im Paradeis,« fragte sie.
Da berichtete er einfach wahrheitsgetreu seinen Besuch beim
alten Jeanbernat. Die Teusin wechselte Entrüstungsblicke mit Bruder
Archangias. Zuerst sagte sie nichts. Sie wackelte um den Tisch mit
wütendem Gehumpel und Absatzgetrampel zum Bodenbersten.
»Sie hätten mir ganz gut von diesen Menschen reden können in
diesen drei Monaten,« sagte endlich der Priester, »dann hätte ich
wenigstens gewußt, wen ich aufsuchte.«
Die Teusin blieb regungslos stehen, als ob die Füße ihr
versagten.
»Lügen Sie nicht, Herr Pfarrer, lügen Sie nicht,« stammelte sie
endlich, »das erschwert noch die Sünde … Wie können Sie es
wagen, mir zu sagen, ich habe Ihnen nie vom Philosophen gesprochen,
dem Heiden, der das Ärgernis der ganzen Landschaft ist! Wahr ist,
daß Sie mir niemals zuhören, wenn ich Ihnen etwas sage. Bei einem
Ohr herein, beim anderen heraus … Ach, wenn Sie auf mich hören
wollten, würden Sie sich manches Ungemach ersparen!«
»Auch ich habe Ihnen ein Wörtlein gesagt bezüglich dieser
Greuel,« versicherte der Bruder.
Der Abbé Mouret zuckte leicht mit den Achseln.
»Nun, ich habe nicht mehr daran gedacht,« fuhr er fort. »Erst im
Paradeis entsann ich mich dunkel, allerhand Geschichten gehört zu
haben … Übrigens hätte ich unter allen Umständen den Armen
besucht; er war, wie ich glaubte, in Todesgefahr.«
Bruder Archangias, mit vollem Mund, stieß das
Messer heftig auf den Tisch und schrie:
»Jeanbernat ist ein Hund; wie ein Hund soll er verrecken.«
Als er der Miene des Priesters Widerspruch ansah, schnitt er
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