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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Gesindel!«
    Sie drängte sie langsam zur Türe, umkreiste sie aufgeregt unter
wütendem Gehink. Endlich war es ihr gelungen, die Mädchen alle
hinauszutreiben; da erblickte sie Katharina, die sich friedlich mit
Vinzenz im Beichtstuhl eingenistet hatte; sie aßen irgend etwas und
sahen entzückt aus. Die Teusin warf sie hinaus. Als sie vor dem
Verschließen der Türe den Kopf aus der Kirche steckte, sah sie, wie
Rosalie sich dem großen Fortunat, der auf sie wartete, an den Hals
hing; beide verloren sich in die Nacht,
nach dem Kirchhof zu; die Entfernung dämpfte das Geräusch der
Küsse.
    »Und so etwas stellt sich vor den Altar der Jungfrau!« stammelte
sie beim Vorschieben des Riegels. »Die anderen sind nicht mehr
wert, ich weiß es nur zu gut. Lose Dirnen, alle, wie sie da heute
abend waren mit ihren Reisigbündeln, unterhalten wollten sie sich
hier und nachher von den Burschen küssen lassen beim
Nachhausegehen! Keine wird morgen einen Schritt hierher tun. Der
Herr Pfarrer wird seine Aves ganz allein aufsagen müssen … Nur
die Schlampen wird man zu sehen bekommen, die ein Stelldichein
verabredet haben.«
    Sie rückte die Stühle, schob sie an ihre Plätze, sah nach, ob
nichts Verdächtiges herumliege. Im Beichtstuhl hob sie eine
Handvoll Kartoffelschalen auf, die sie hinter den Hauptaltar
schmiß. Auch ein Endchen Band fand sie, von irgendeiner Haube
abgerissen, samt einer schwarzen Haarsträhne, woraus sie sich ein
kleines Bündel machte, zwecks Eröffnung einer Untersuchung. Bis auf
dies schien ihr die Kirche in Ordnung. Die ewige Lampe war mit Öl
versehen für die Nacht, die Fliesen im Chor brauchten vor Samstag
nicht aufgewaschen zu werden.
    »Es ist fast zehn Uhr, Herr Pfarrer,« sagte sie und näherte sich
dem immer noch knienden Priester. »Sie täten gut daran,
hinaufzugehen.«
    Er antwortete nicht, beschränkte sich darauf, sanft das Haupt zu
neigen.
    »Wohl, ich weiß, was das heißt,« fuhr die Teusin fort. »In einer
Stunde knien Sie noch immer da auf dem Stein und erkälten sich den
Magen. Ich gehe, weil ich Sie langweile. Immerhin, einen Sinn hat
das nicht: frühstücken, wenn die anderen
zu Mittag essen, zu Bett gehen, wenn die Hühner aufstehen! …
Ich störe Sie, nicht wahr, Herr Pfarrer? Guten Abend. Glauben Sie
mir's. Sie sind wirklich nicht vernünftig!«
    Die Teusin entschloß sich zum Abzug, kam aber zurück, um die
eine der beiden Lampen auszulöschen mit dem Gemurmel, daß so spätes
Beten dem Öl den Garaus machen müßte. Endlich verschwand sie;
vorher wischte sie noch mit dem Ärmel über die Decke des
Hauptaltars, die ihr staubgrau erschien. Der Abbé Mouret mit
erhobenem Blick und über der Brust gekreuzten Armen blieb
allein.

Kapitel 12
     
    Von einer einzigen Lampe erleuchtet, die auf dem Altar der
Jungfrau inmitten der grünenden Zweige brannte, füllte die Kirche
sich zu beiden Seiten mit schwankenden Schatten. Die Kanzel zog
einen Streifen Finsternis bis zu den Deckenbalken. Der Beichtstuhl
stand dunkelmassig, unter dem Chor zeigte sich wie seltsamer
Schattenriß zerborstenen Wachtturmes. Das ganze Licht, gedämpft,
grün widerscheinend vom Blattwerk, ruhte über der hohen goldenen
Jungfrau, die mit königlicher Gebärde auf der von geflügelten
Engelsköpfen durchspielten Wolke niederzuschweben schien. Sah man
das Lampenrund so aus Zweigesmitten leuchten, konnte man es als
blassen Mond ansprechen, der am Waldesrand aufsteigt und die
Herrlichkeit einer Erscheinung überleuchtet, einer Himmelsfürstin,
goldgekrönt, goldumwallt, die die Blöße ihres Götterkindes in
geheimnistiefe Alleen geleitet. Durch Blättergrün, entlang am hohen
Buschkranz, entlang der spitzbogigen
Laube, sogar über die Streuzweige, ergossen sich sternhafte
Strahlen, gedämpft, jenem milchigen Geriesel ähnlich, das in klaren
Nächten die Gesträuche tränkt. Unbestimmte Laute, Knirschen,
Krachen, tönte aus den beiden Dunkelwinkeln der Kirche. Die große
Uhr zur Linken des Chores schien langsam Atem zu holen im starken
Ticken schläfrigen Uhrwerks.
    Und das Strahlengebilde der Mutter in der Schmale
kastanienbrauner Scheitelhaare neigte sich tiefer wie verklärt
durch den Nachtfrieden im Kirchenschiff, kaum daß sich die Gräser
der Lichtung unter dem leisen Flug ihres Gewölkes neigten.
    Der Abbé Mouret betrachtete sie. Zu dieser Stunde liebte er die
Kirche. Er vermochte den Leidens-Christus zu vergessen, den
gequälten, ocker- und lachsrot beschmierten Gepeinigten, der hinter
ihm zu Tode kam

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