Die Sünde des Abbé Mouret
schlimmes Kraut.« Er ergriff ihre Hände und sagte ein
um das andere Mal, mit vor Bewunderung zitternder Stimme: »Wie
schön bist du!«
Albines Haut schimmerte milchweiß in der niederstäubenden Sonne,
wenig nur vom Tageswiderschein übergoldet. Von dem Rosenregen, der
sich um sie, über sie ergossen hatte, war sie rosig überhaucht. Ihr
blondes Haar, das der Kamm fast nicht zu bändigen vermochte,
umwebte sie mit dem Aureolenglanz sinkenden Gestirns, hüllte ihren
Nacken in ungeordnet letztes Flammenzüngeln. Sie trug ein weißes
Kleid, in dem sie nackt erschien, so sehr war es zu ihrer Haut
geworden, ließ Arme, Busen und Knie erkennen. Sie versteckte sie
nicht, ihre unschuldige Haut, blumenhaft, ohne Scham erblüht,
würzig, rein, duftend. Wie sie so lag, war sie nicht sehr groß, in
schlangenhafter Geschmeidigkeit, in zierlicher Weichheit spielten
die Linien, weiteten sich wollüstig in der Anmut eines reifenden,
doch noch kindlich regsamen Körpers.
Ihr längliches Gesicht mit der schmalen
Stirne, dem etwas großen Mund, war ganz überströmt von der
fröhlichzärtlichen Lebendigkeit ihrer blauen Augen. Und doch sah
sie ernsthaft aus, mit den klaren Wangen, dem festen Kinn, war so
selbstverständlich schön, wie die Bäume schön sind.
»Und wie ich dich liebe!« sagte Sergius, und zog sie an
sich.
Sie lagen sich in den Armen, hielten sich fest umschlungen. Doch
küßten sie sich nicht. Hüfte an Hüfte lehnten sie die Wangen
aneinander, stumm, einig und bezaubert in inniger Gemeinsamkeit. Um
sie blühten die Rosen. Ein lachendes Blühen war es, rot, rosig und
weiß, liebesdurchtollt. Lebendurchflutete Blumen taten ihre
Nacktheit auf, wie üppige Mieder, denen Brüste köstlich entquellen.
Da waren gelbe Rosen, deren Blätter übergoldet waren wie die Haut
von Barbarenweibern, strohfarbige Rosen, zitronen-, sonnenfarbene,
Rosen aller Schattierungen, von Gluthimmeln ambragelb behauchter
Nacken. Dann erzarteten die Tönungen, matte Teerosen in feuchter
Entzückung wiesen schamhafte Verborgenheiten, geheim Fleischliches,
das sich nicht zeigen darf, in seidiger Zartheit, leicht von
Adernetzen überblaut. Dann kam das rosige Leben zur Entfaltung:
weißrosa, kaum etwas glanzüberfirnist, schneeiges Weiß
jungfräulichen Fußes, der zögernd in Quellwasser taucht; blasses
Rosa, verschwiegener als das warme Weiß eines heimlich erspähten
Knies, als das Aufleuchten jungen Armes im weiten Ärmel; frisches
Rosa, Blut unter Seide, nackte Schultern, nackte Hüften, die ganze
Nacktheit der Frau, lichtumkost; lebhaftes Rosa, Blumenknospen der
Brust, halbgeöffnete Lippenblüten, denen duftlauer Atem entströmt.
Und die Kletterrosen, die großen, weiß
überrieselten Rosenstämme überkleideten all dies Rosa, alle
Nacktheit mit der Spitzenflut ihrer Blütentrauben, der Unschuld
ihrer musselinenen Leichte; während da und dort weinhefenfarbene,
fast schwarze, blutende Rosen in dieser brautreine
Leidenschaftswunden aufrissen. Hochzeitlichkeit des duftenden
Gehölzes, die Maienunschuld leitet zu Juli- und
Augustfruchtbarkeiten; unwissend erster Kuß, wie ein Strauß,
gepflückt am Hochzeitsmorgen. Sogar die Moosrosen am Boden, im
wollig hochgeschlossenen Gewand, erwarteten Liebe. Den
sonnenbestrahlten Weg entlang streckten Gesichter sich vor und
riefen die vorüberstreifenden Winde an. Unterm ausgespannten Zelt
der Lichtung war aller Art Lächeln zu sehen, nicht eine Entfaltung
glich der anderen. Alle Rosen liebten ihrem eigenen Wesen gemäß.
Die einen ließen sich nur dazu herbei, ihre Knospe halb aufzutun,
verschämt und mit errötendem Herzen, andere dagegen knitterten
keuchend ihre Hüllen weit auf, tödlich ihrem Leib ergeben. Kleine,
flinke, lustige gab es, die sich aufreihten mit Bänderhauben, sehr
volle mit überüppigen Reizen, der Fülle schwerer Sultaninen;
dirnenhaft unverschämte in gefallsüchtigem Sichgehenlassen, die
puderfahle Blätter spreiteten. Anständige mit bürgerlich züchtigem
Ausschnitt; aristokratische von geschmeidiger Eleganz, erfinderisch
in Enthüllungen erlaubter Eigenart. Die kelchhaft sich entfaltenden
Rosen boten ihren Duft wie im köstlichen Kristall; den urnenförmig
geschweiften entrann er tropfenweise, kohlrunde Rosen atmeten ihn
aus in regelmäßigen Atemzügen schlafender Blumen; die Rosenknospen
preßten ihre Blätter zusammen und gaben nichts aus als unbestimmt
seufzende Jungfräulichkeit.
»Ich liebe dich, ich liebe dich,«
wiederholte Sergius mit leiser Stimme.
Auch Albine
Weitere Kostenlose Bücher