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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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der
gänzlich ermattete Sergius schon hinsetzen.
    Er streckte sich hin und schlief fest ein. Albine blieb
gedankenvoll ihm zur Seite sitzen. Sie befanden sich am Ausgang
eines Weges, der bis zum Rande einer Lichtung führte. Sehr weit zog
sich der Weg hin, sonnenbestreift, am anderen Ende stand er gegen
den Himmel offen, der sich blau gegen das enge Rund der Öffnung
preßte. Andere kleine Wege durchhöhlten
kreuz und quer das Grün. Die Lichtung wurde von stufenweise
angeordneten Rosenstöcken gebildet, die sich erhoben in einer
solchen Wirrnis von Zweigen, einem solchen Schwall dornenbewehrter,
geschmeidiger Ranken, sodaß dichtes Blattgehänge luftig sich
heftete und von einem Busch zum anderen flatternde Zeltplanen
spannte. In dies spitzenzart verästelte Gewühl drang der Tag nur
durch kaum wahrnehmbare Maschen, azuren siebte sich das Licht zu
ungreifbar kreisendem Sonnenstaub. Und aus der Überwölbung hingen
wie Kronleuchter, Zweigausläufer, große Sträuße von grünschlanken
Ranken gehalten, Blumenmassen sanken bis zur Erde nieder, entlang
an irgendeiner Lücke in der Überlaubung, die niedergebrochen, wie
abgerissene Draperieen schleifte. Albine betrachtete den
schlafenden Sergius. In einem Zustand so schwerer körperlicher
Erschöpfung hatte sie ihn noch nie gesehen, matt lagen die Hände
auf dem Rasen, das Gesicht war wie leblos. Tot war er so für sie,
küssen könnte sie ihn, kam ihr in den Sinn, ohne daß er auch nur
das Geringste davon gemerkt hätte. Und in trüber Zerstreutheit
begann sie mit müßiger Hand die ihr erreichbaren Rosen zu
entblättern. Ihr zu Häupten hingen riesige Blumengarben, die
Scheitel, Haarknoten, Nacken und Ohren mit Rosen umgaben, ihr um
die Schultern einen Rosenmantel warfen. Höher griffen ihre Finger
und ließen Rosen regnen, zartgroße Blumenblätter, weich gerundet in
kaum geröteter Reine jungfräulichen Busens. Die Rosen deckten schon
wie lebendig flockender Schnee ihre im Gras gekreuzten Füße. Bis zu
den Knien stiegen ihr die Rosen, überschütteten den Rock, hüllten
sie ein bis zu den Hüften; nur drei verwehte Rosenblätter,
ihrem Mieder angeflogen, am Busenansatz,
sahen aus wie drei Fleckchen ihrer eigenen bezaubernden
Nacktheit.
    »O du Siebenschläfer!« murmelte sie gelangweilt, nahm Hände voll
Rosenblätter auf und warf sie Sergius ins Gesicht, um ihn
aufzuwecken. Schlafschwer blieb er liegen. Mund und Augen
verschwanden unter Rosen. Das brachte Albine zum Lachen, sie beugte
sich vor und küßte ihn herzhaft auf beide Augen, auf den Mund,
wollte im Küssen die Rosenblätter fortblasen; die Blumen blieben
aber an ihren Lippen haften, da mußte sie noch lauter lachen, in
hellem Vergnügen über dies Küssen durch die Blumen. Sergius hatte
sich langsam aufgerichtet. Er betrachtete sie in tiefstem
Erstaunen, es war, als erschreckte ihn ihre Anwesenheit. Er fragte
sie: »Wer bist du, woher kommst du, was tust du hier bei mir?«
    Ihr Lächeln verging nicht, denn sie war voller Freude über sein
Erwachen. Da schien ihm eine Erinnerung zu kommen, er begann wieder
mit einer glücklich vertrauten Bewegung.
    »Ich weiß, meine Liebe bist du, du bist Fleisch von meinem
Fleisch, du wartest, daß ich dich in die Arme nehme, damit wir eins
werden… Mir träumte von dir. In meiner Brust warst du, und ich gab
dir mein Blut, meine Kraft, mein Mark. Es tat gar nicht weh. Du
nahmst mir die Hälfte meines Herzens, so sanftmütig, daß es mir
eine Lust war, mich so zu zerreißen. Das Beste und Schönste in mir
hätte ich dir gern geopfert. Hättest du alles an dich genommen, ich
hätte dir Dank dafür gewußt … Als du aus mir heraustratest,
bin ich erwacht. Aus den Augen, dem Mund bist du mir entwichen, ich
habe es genau gefühlt. Duftend, weich und so zärtlich lieb warst du, daß dein eigenstes Beben mich erwachen
ließ.« Albine lauschte in Entzücken seinen Worten, er sah sie
endlich, endlich also kam er wirklich zur Welt, gesundete. Ihre
ausgestreckten Hände baten ihn, weiter zu reden:
    »Wie habe ich ohne dich leben können?« sagte er leise. »Aber das
war ja auch kein Leben, ich dämmerte dahin wie ein Tier… Und jetzt
gehörst du mir! Und bist mein anderes Selbst! Hör' mich an, nie
darfst du mich verlassen, denn du bist mein Atem, das Leben würdest
du mir rauben, gingest du von mir. Wir werden ineinander aufgehen,
du wirst in mir sein, ich in dir. Verließe ich dich eines Tages,
will ich verflucht sein und mein Leib soll dorren, wie ein
unnötiges und

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