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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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versteckt; und ich
wagte nicht, dies Tuch fortzuschieben, weil mir dein Haar Furcht
einflößte, und weil ich dann hätte sterben müssen …
Jetzt sind deine Haare mir so lieb, wie
dein ganzes Wesen. Sie bewahren deinen Duft, lassen deine ganze
Schönheit mir weich durch die Finger rieseln. Wenn ich sie küsse,
mein Gesicht so in ihnen vergrabe, trink' ich dein Leben.« Er
drehte sich die langen Locken um die Hände, preßte sie an die
Lippen, als wollte er ihnen alles Blut Albines entziehen. Nach
einem kurzen Schweigen fuhr er fort:
    »Es ist seltsam, bevor man geboren wird, träumt man zu sein…
Irgendwo lag ich unter der Erde und fror. Über mir hörte ich das
Außenleben sich regen. Aber ich hielt mir verzweifelt die Ohren zu,
kannte nichts als meine finstere Höhle, kostete in ihr schauerliche
Freuden und machte nicht einmal den Versuch, die lastende Erde mir
von der Brust zu schütteln… Wo war ich denn? Wer hat mich endlich
an das Licht gezogen?« Er strengte sein Gedächtnis an. Albine war
in heller Sorge, er könnte die Erinnerung wiederfinden. Lächelnd
nahm sie ihr Haar und wand es dem jungen Mann um den Hals, ihn so
an sich zu fesseln. Diese Spielerei riß ihn aus seinem Grübeln.
    »Du hast recht,« sagte er, »ich bin dein, und alles übrige ist
gleichgültig … Nicht wahr, du hast mich aus der Erde gegraben?
Ich lag wohl unter diesem Garten. Was ich vernahm, war das Geräusch
deiner Schritte auf dem Kies. Du suchtest nach mir, brachtest mir
Vogelsang, Nelkenduft und Sonnenschein … Und es war mir zumut,
als müßtest du mich am Ende finden. Siehst du, lange schon wartete
ich auf dich. Aber ich konnte nicht hoffen, daß du dich mir ohne
deinen Schleier schenken würdest, und mit gelösten Haaren, den
schlimmen Haaren, die jetzt so sanftmütig geworden sind.« Er zog
sie an sich, bettete sie auf seine Knie
und lehnte das Gesicht an das ihre.
    »Reden wir nicht mehr. Für immer sind wir allein. Wir lieben
uns.«
    In unschuldiger Umarmung verweilten sie noch lange in süßem
Vergessen. Die Sonne stieg, heißer stäubte der Tau von den Zweigen
nieder.
    Die gelben, weißen und blaßroten Rosen wurden zu einer
Ausstrahlung ihrer Freude, einer Form ihres Lächelns. Sicherlich
sprangen die Knospen auf in ihrer Nähe. Rosen krönten sie und
umschlangen ihre Glieder. Und so durchdringend war der Rosenduft,
so erfüllt war er von liebender Zärtlichkeit, daß er der Duft ihres
eigenen Wesens zu sein schien.
    Sergius wollte Albines Haar ordnen. Er wühlte in liebenswürdiger
Ungeschicklichkeit mit beiden Händen in ihren Haaren und steckte
den Kamm schief in den aufgetürmten Wust. Indessen stand ihr diese
seltsame Haartracht ausnehmend gut. Dann erhob er sich, streckte
die Hände nach ihr und griff sie um die Hüften, um ihr beim
Aufstehen behilflich zu sein.
    Das stille Lächeln blieb ihnen, und so schritten sie über den
Rasen davon.

Kapitel 7
     
    Albine und Sergius betraten den Blumengarten. Sie fürchtete, er
könne sich überanstrengen und betrachtete ihn voll Sorge. Mit einem
leisen Auflachen beruhigte er sie. Stark genug fühlte er sich, sie
zu tragen, wohin auch immer ihr der Sinn stünde. Als er sich wieder
in der vollen Sonne fand, seufzte er
glücklich auf. Endlich lebte er wieder und war nicht mehr wie eine
Blume, von Winterkrämpfen geschüttelt. Und welche rührende
Dankbarkeit! Er hätte Albines kleinen Füßen die ermüdenden Wege
ersparen mögen und wünschte, sie in seinen Armen zu tragen, wie ein
Kind, das die Mutter einlullt.
    Eifersüchtig hütete er sie schon jetzt, räumte Steine und Dornen
aus dem Weg und wachte darüber, daß der Wind dem geliebten Haar
nicht Liebkosungen raube, die nur ihm allein gehörten. Sie hatte
sich an seine Schulter geschmiegt, gab sich ruhevoll in seine
Hut.
    So wanderten Albine und Sergius zum erstenmal in die Sonne.
Wohlgeruch folgte dem Paar, lebensvoll lag der Weg, die Sonne
entrollte unter ihren Füßen einen goldenen Teppich. Zwischen den
großen blühenden Sträuchern schritt das Paar dahin, wie ein Wunder,
und so begehrenswert, daß von Ferne ihnen die Alleen zujauchzten
und sie mit bewunderndem Raunen grüßten, wie eine Menge den lang
erwarteten König begrüßt. Nur wie ein einziges, gebietend schönes
Wesen waren sie. Die weiße Haut Albines war nur das Helle von
Sergius' brauner Haut. Langsam gingen sie dahin, sonnenumkleidet:
sie waren selbst Sonne, und die Blumen neigten sich und beteten sie
an.
    Tiefe Erregung bemächtigte sich des

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