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Die Sünde

Die Sünde

Titel: Die Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Feller
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ein Kundengespräch, einfach nichts.«
    Nawrod überlegte. »Hm, ich frage mich, wie ein Mann wie Radecke am helllichten Tag, quasi von einer Sekunde zur anderen, spurlos verschwinden kann. Irgendjemand muss ihn doch gesehen haben.« Nawrod schaute auf die Uhr. »Ist es möglich, dass Ihr Pressereferent noch heute einen Artikel mit Radeckes Bild an alle Berliner Zeitungen verschickt?«
    »Das können Sie vergessen. Dafür ist es schon zu spät. Ich werde von Radeckes Aufnahme eine Kopie machen und dafür sorgen, dass sich unser Pressereferent morgen früh darum kümmert. Ich denke, dass erste Reportagen in den regionalen Radio- und TV -Sendern noch am Vormittag ausgestrahlt werden können. In den Zeitungen wird die Geschichte erst übermorgen erscheinen.«
    »Hoffentlich ist Gottwald Radecke dann noch am Leben«, antwortete Yalcin. »Dieser beschissene Wettlauf mit der Zeit geht mir gehörig an die Substanz. Wieso gibt es Menschen, die so etwas Schreckliches tun?«, sagte sie laut und schlug mit der Faust gegen die Seitenverkleidung des Dienstwagens.
    Schuster und Nawrod sahen sich an. Sie wussten keine Antwort. Beide hatten sich im Laufe ihrer langen Dienstzeit diese Frage oft genug gestellt.
    40
    Obwohl oder gerade weil er ständig versuchte, sich während des Fluges mit allem Möglichen abzulenken, konnte Nawrod seine Klaustrophobie nicht abschütteln. Kaum hatte er auf dem Sitz Platz genommen, rann ihm der Schweiß aus allen Poren. Yalcin saß am Fenster. Es gefiel ihr, als sie beim Beschleunigen in den Sitz gedrückt wurde und das Flugzeug sanft abhob. Fasziniert sah sie, wie Menschen, Fahrzeuge und Gebäude immer kleiner wurden.
    Noch bevor das Symbol für das Lösen des Sicherheitsgurtes über ihm aufleuchtete, riss Nawrod den Verschluss auf. Er hatte das Gefühl, als ob ihm der Gurt seine Eingeweide zermalmen würde. Aufstehen. Ich muss aufstehen, dachte er. Seine Finger ertasteten die oberen Knöpfe seines Hemdes. Es stand längst bis zum dritten Knopf offen. In der Hoffnung, mehr Luft zu bekommen, massierte er seinen Hals und erhob sich von seinem Sitz. Der Gang zur Toilette kam ihm unendlich lang vor. Bevor er hinter sich die Tür schloss, rief ihm eine Stewardess etwas zu. Er verstand es nicht. Als er in den Spiegel schaute, erschrak er vor der Angst in seinem Gesicht. Mit kaltem Wasser versuchte er, sie zu vertreiben. Es gelang ihm nicht, und in diesem Moment wurde ihm klar, dass er baldmöglichst professionelle Hilfe in Anspruch nehmen musste. Doch war er bereit dazu? Es widerstrebte ihm mehr als alles andere, sich einem Seelenklempner anzuvertrauen.
    »Bist du okay?«, fragte Yalcin, als er zurückkam.
    »Alles bestens«, log er.
    Als die Maschine endlich gelandet war und sich die Türen öffneten, war er heilfroh. Da Yalcin ihre Reisetasche als Handgepäck mitführte, konnten sie den Transitbereich schnell verlassen und gleich das Polizeirevier des Flughafens aufsuchen, wo der Schlüssel ihres Dienstwagens hinterlegt war. Eine Stunde später betraten sie Wegners Büro. Der Soko-Leiter erwartete sie schon.
    »Guten Flug gehabt?«, fragte er freundlich.
    »Danke, wie man’s nimmt«, raunzte Nawrod.
    »Bitte nehmen Sie Platz! Frau Lelle wird gleich mit dem Kaffee kommen.«
    »Mir hat der Kurztrip sehr gut gefallen«, grinste Yalcin, nachdem sie Platz genommen hatten. »Ich schaue mir die Welt ab und zu wahnsinnig gern von oben an. Wie Reinhard Mey in seinem Lied habe ich dann das Gefühl, dass alle Probleme plötzlich winzig klein werden, so klein wie Bäume, Häuser, Straßen, Autos, Menschen und all das, was es sonst noch auf der Erde gibt.«
    Wegner lächelte. »Das haben Sie schön gesagt. Sind Sie Hobbyphilosophin?«
    Es klopfte an der Tür. Frau Lelle kam herein und servierte den Kaffee. »Es freut mich sehr, dass Sie wieder heil zurückgekommen sind«, sagte sie freundlich, zu Nawrod und Yalcin gewandt. »Ich hatte schon die Befürchtung … entschuldigen Sie … na ja, ich habe heute Nacht so schlecht geträumt und dachte …«
    »Vielen Dank, Frau Lelle.« Nawrod nahm seine Tasse entgegen. »Sie brauchen sich um uns keine Sorgen zu machen. Unkraut vergeht nicht.«
    »Wenn eine solch gute Fee wie Sie die Tickets bucht, ist es ausgeschlossen, dass das Flugzeug abstürzt«, lächelte Yalcin.
    Nachdem jeder einen Schluck Kaffee getrunken und Frau Lelle das Büro verlassen hatte, wurde Wegner wieder ernst. »Ich komme gleich mal zur Sache: Kollege Hauk hat sich vom Passamt Berlin ein Foto von

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