Die Sünde
könnte es durchaus einer der Tatverdächtigen sein, die wir schon die ganze Zeit im Visier haben.«
»Du meinst …«
»Genau den. Wir werden sehen, ob es noch weitere Aufnahmen von der Kamera des Geldautomaten gibt. Vielleicht sieht man da mehr drauf.«
»Gute Idee. Wir sollten Wegner noch vor unserem Rückflug bitten, sich darum zu kümmern.«
Nawrod wandte sich wieder an Weiß. »Fangen wir mal von vorn an. Seit wann kennen Sie Herrn Radecke?«
»Seit etwa neun Jahren. In seiner Eigenschaft als Versicherungsvertreter hat er mich beraten. Er suchte mich damals in meiner Wohnung auf. Was mich betrifft, war es Liebe auf den ersten Blick. Bei ihm dauerte es etwas länger. Er hatte davor schon einige Beziehungen, die allesamt gescheitert waren. Vor fünf Jahren haben wir geheiratet. Ich zog zu ihm. Gottwald hatte die Wohnung schon Jahre vorher gekauft.«
»Die war bestimmt nicht billig in dieser Gegend«, warf Yalcin ein.
»Er hat immer gut verdient und die Immobilie war ein Schnäppchen, wie er mir erzählte.«
»Ist Ihnen bekannt, ob er Schulden hat? Könnte jemand Forderungen an ihn haben?«
»Nein, nicht dass ich wüsste. Gottwald hat ein beträchtliches Vermögen. Die Wohnung ist schuldenfrei. Er ist zudem im Besitz von Geld, Wertpapieren und Gold im Wert von einigen Hunderttausend Euro.«
»Und Sie? Wie steht es mit Ihren Finanzen?«, fragte Nawrod und konnte dabei einen gewissen Argwohn nicht unterdrücken.
»Ich verdiene als Angestellter einer Geldtransportfirma nicht einmal die Hälfte dessen, was Gottwald jeden Monat an Provisionen erhält. Hinzu kommt noch sein Festgehalt, das auch nicht zu verachten ist.«
»Gibt es ein Testament?«
»Ich kann mir denken, auf was Sie hinauswollen. Nein, wir brauchen kein Testament. Wir sind verheiratet und haben beide keine Nachkommen. Im Todesfall erbt der Überlebende. So einfach ist das.« Weiß sah Nawrod direkt in die Augen. »Aber wenn Sie meinen, dass ich des Geldes wegen Gottwald etwas antun würde oder mit seinem Verschwinden etwas zu tun habe, sind Sie auf dem Holzweg. Ich liebe ihn, mit oder ohne Geld. Da können Sie denken, was Sie wollen.«
»Sind Sie sich beide treu?«, fragte Yalcin.
»Da kann ich nur für mich sprechen. Ich bin es auf jeden Fall. Aber vor Jahren ist Gottwald mal eine Nacht abgetaucht. Er hat es nie zugegeben, aber ich glaube, dass er sich damals mit einem anderen eingelassen hat.«
»Sagen Ihnen die Namen Ansgar Haider und Robert Pfaff etwas?«
Weiß überlegte. »Nein, absolut nichts«, antwortete er nach einigen Sekunden.
»Wissen Sie, ob Ihr Lebenspartner irgendeinen Bezug zu Heidelberg oder zu der dortigen Gegend hat?«
»Hm, geboren ist er ja in Bremen. Aber er erzählte mir einmal, dass er in Speyer einen Bekannten hatte, der mit ihm studierte. Speyer ist doch nicht so weit von Heidelberg entfernt, oder?«
»Nein«, antwortete Yalcin. »Etwa 35 Kilometer. Wie hieß dieser Bekannte?«, fragte sie weiter.
»Gottwald nannte damals seinen Namen, aber ich kann mich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Tut mir leid.«
»Was hat Ihr Lebenspartner noch über den Bekannten erzählt?«, hakte Nawrod nach.
»Ich weiß nur noch so viel, dass die beiden zusammen Theologie studierten. Sie waren offensichtlich im selben Priesterseminar.«
»Ihr Lebenspartner war Priester?«, fragte Nawrod erstaunt.
»Ja, Gottwald war katholischer Geistlicher, bevor er in die Versicherungsbranche wechselte. Das muss vor über 20 Jahren gewesen sein.«
»Ein äußerst ungewöhnlicher Berufswechsel, finden Sie nicht?«, fragte Yalcin.
»Da stimme ich Ihnen zu. Dasselbe habe ich ihn damals auch gefragt.«
»Und was hat er geantwortet?« Nawrod versuchte, die Gestik und Mimik von Weiß zu deuten. Bisher war ihm noch nichts aufgefallen, das darauf hindeuten könnte, dass der Mann log.
»Er erzählte mir, dass er es nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren konnte. Nein, so hat er das nicht gesagt. Er deutete es mehr oder weniger nur an. Ich habe das damals so verstanden, dass er seine Homosexualität nicht mehr länger unterdrücken wollte und deswegen sein Priesteramt niederlegte.«
»Und das haben Sie ihm geglaubt?«, fragte Nawrod skeptisch.
»Na ja, Sie müssen wissen, dass Gottwald mit seinen 61 Jahren immer noch sexuell sehr aktiv ist. Ich denke schon, dass er damit als junger Priester enorme Probleme gehabt haben könnte.«
»Wissen Sie, in welcher Stadt oder Gemeinde er als Priester gearbeitet hat?«
»Nein, tut mir
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