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Die Sünde

Die Sünde

Titel: Die Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Feller
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Fratze auf sich zukommen.
    Aber die Qual nahm kein Ende. Es war erst der Anfang.
    Gottwald Radecke erlitt die qualvollsten Schmerzen, die ein Mensch je erleben kann. Er winselte bei seinem Peiniger um Gnade, bat ihn inständig um Verzeihung für alles, was er ihm vor mehr als 20   Jahren angetan hatte. Doch dieser Mensch war nicht mehr der kleine Junge von damals, war kein Ministrant mehr, dem man mit der Hölle und dem Satan drohen konnte. Er war zu einer blutrünstigen Bestie geworden, die keine Gnade kannte und grausame Rache übte. Aber waren es nicht Philipp Otte, Johannes Holzmann, er und die anderen Priester, die den zarten, schmächtigen Jungen mit den blonden Haaren zu dieser Bestie gemacht hatten?
    Auf dem Tisch festgeschnallt, zu keiner Gegenwehr, ja, nicht einmal zur geringsten Bewegung fähig, gab es Momente, in denen er glaubte, sein Peiniger würde Erbarmen mit ihm haben. Der Blonde hörte ihm zu, als er in tiefer Reue von dem Fluch erzählte, der auf ihm lastete, von seinem unstillbaren Hang, mit minderjährigen Jungen sexuell zu verkehren. Als er genug gesprochen hatte, ihm zu seiner Verteidigung nichts mehr einfiel, streifte sich der Blonde jedoch seelenruhig einen grünen Arztkittel über, zog Einmalhandschuhe an, band sich einen Mundschutz um und schob ihm ein stabiles, rundes Drahtgeflecht so weit in den Mund, dass es hinten an Gaumen und Rachen anstieß. Er versuchte, sich zu wehren, indem er die Lippen fest zusammenpresste. Als aber der Blonde drohte, er würde ihm den Kiefer brechen, wenn er den Mund nicht öffne, gab er seinen Widerstand auf. Er hatte keine Ahnung, was ihn erwartete. Bei der ersten Berührung des Geflechtes mit dem hinteren Gaumen überfiel ihn ein Brechreiz, doch er konnte sich nicht übergeben. Für einen Augenblick dachte er, er müsse ersticken, aber dann bekam er wieder Luft. Die Innenseiten seiner Schneidezähne bildeten für das Drahtgeflecht das Widerlager. So konnte es in der weit geöffneten Mundhöhle weder nach vorn noch nach hinten rutschen. Er konnte jetzt nur noch stöhnende Laute von sich geben. Seine Zunge baumelte unkontrolliert im Innern des kleinen Drahtkäfigs. Als er sah, wie der Blonde mit der linken Hand eine chirurgische Zange und mit der anderen ein Skalpell von dem kleinen Tischchen neben ihm nahm, wusste er, was folgen würde. Mit weit aufgerissenen Augen sah er die Zange auf sich zukommen. Dann spürte er, wie sie sich an seiner Zungenspitze festkrallte. Tränen schossen ihm in die Augen, sodass er kaum noch etwas sehen konnte. Er hörte, wie der Blonde laut Loquuntur lingua scissa et deum insulant sagte. Dann wurde seine Zunge so weit herausgezogen, dass er das Gefühl hatte, er bekäme Luft- und Speiseröhre mit herausgerissen. Der Schmerz des dann folgenden Schnittes erschien ihm wie ein riesiger Feuerball, der sich durch seinen Körper wälzte und sich in jeder noch so kleinen Zelle festfraß. Er spürte, wie sich sein Mund schlagartig mit warmem Blut füllte. Mit einem Ruck wurde das Drahtgeflecht aus seinem Mund gerissen. Dann wurden Stirn- und Brustriemen gelockert und sein Oberkörper etwas zur Seite gedreht. Ein Schwall von Blut ergoss sich aus Mund und Rachen. Der Ohnmacht nahe, bekam er mit, wie seine Hände vom Tisch losgebunden und hinter dem Rücken gefesselt wurden. Anschließend wurden seine Fußgelenke befreit. Er wurde gepackt, hochgerissen und widerstandsunfähig, wie er in diesem Augenblick war, in die Zelle geschleift.
    Immer noch die Hände auf dem Rücken gefesselt, lag er jetzt in Seitenlage auf der Pritsche und ließ das Blut aus dem Mund laufen. Auf dem Boden bildete sich eine große Lache. Er würde verbluten, keine Frage. Sein Körper wurde immer schwächer, die Schmerzen immer unerträglicher.
    42
    Nach der Besprechung mit Wegner fuhren Nawrod und Yalcin in die City. Nawrod musste sich unbedingt ein neues Hemd, Unterwäsche und Socken kaufen, da von seinem Körper inzwischen ein nicht mehr hinnehmbarer Geruch ausging, wie sich Yalcin dezent ausdrückte. Fügsam wie ein Ehemann, der schon 40   Jahre Knechtschaft unter seiner Angetrauten hinter sich hat, ließ er Yalcins Beratung beim Kauf des Hemdes über sich ergehen.
    »Ich muss mir für die Zeit hier in Heidelberg unbedingt eine billige Bude suchen, in der ich wenigstens übernachten und ein paar Klamotten deponieren kann«, brummte er missmutig, als sie das Kaufhaus verließen. »Die Fahrt nach Stuttgart zu meiner Wohnung ist einfach zu weit, wenn es abends

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