Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Suenden der Vergangenheit

Die Suenden der Vergangenheit

Titel: Die Suenden der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
Vom Netzwerk:
so etwas trinken. Schon gar nicht direkt von irgendwelchen Opfern, von denen Nico gesprochen hatte. Selbst wenn sie das angeblich gar nicht taten. Von irgendetwas ernährten sich schließlich auch Immaculates und sie würde nicht die Blutbank überfallen.
    „Mir geht es ganz wunderbar und ich möchte jetzt bitte nach Hause gehen!“ Ungemütlich zupfte sie am Ansatz des Handtuchs und wandte sich ihrem Koffer zu, den sie kaum heben konnte. Von wunderbar konnte keine Rede sein und sie wusste, dass Nico es wusste und das machte sie wütend.
    „Was seid ihr? Allwissend? Macht es euch Spaß, wehrlose Leute von der Straße zu klauen und sie zu verschleppen? Ich glaube dir kein Wort von diesem ganzen Quatsch.“
    Da sie unter sich waren, ließ Gloria kurzerhand das Duschhandtuch fallen, als sie hartnäckig mit dem Reißverschluss am Koffer kämpfte. Erst im dritten Anlauf gelang es ihr, ihn zu öffnen. Peter hatte ihre liebsten Sachen eingepackt und sogar ein Foto hineingetan, das sonst auf dem Sims ihres Kamins in ihrem Apartments stand. Ein Bild von Mathilda ihm und ihr beim Collegeabschluss. Eines aus glücklichen Zeiten. Damals ging es ihr noch gut und nun würde sie wohl sehr bald sterben. Jetzt, wo Nico es ausformuliert hatte, konnte Gloria es förmlich fühlen. Sie nahm das Bild heraus und warf es quer durch das Zimmer. Das Glas hinter dem roten Rahmen zerbrach in dutzende Scherben.
    „Warum sollte ich ausgerechnet dir all diese Dinge glauben? Meine Tante hat mich aufgezogen, nachdem meine Eltern gestorben waren. Bei einem Unfall . Sie spricht nicht gern darüber, denn es ist immerhin ihr Bruder, den sie damals verloren hat. Ich verstehe und akzeptiere das. Was kümmert es dich, als vollkommen Fremde, ob sie ehrlich zu mir war oder nicht? Was kümmert dich, ob ich hungrig bin oder krank? Was weißt du schon von Hunger, hm? Ich wette, du bekommst hier alles, was du brauchst. Das bekomme ich auch. Zuhause! “
    Gloria schlüpfte beim Sprechen in ihre eigene Unterwäsche und in ein paar dunkelblaue Shorts. Dann zog sie ein weißes Trägertop über und die tollen Flipflops, die sie sich letzten Sommer auf einem Trödelmarkt gekauft hatte. Sie fühlte sich nun tatsächlich etwas besser. Wieder menschlich und nicht mehr wie dieses Monster, das aus diesem ekeligen Becher... nicht mehr daran denken.
    „Du kennst nur meine Krankheit, Nico. Aber du weißt nichts über mich oder meine Familie.“
    In dem Kulturbeutel, den Peter nicht vergessen hatte, fand Gloria ein Zopfgummi, mit dem sie sich streng die feuchten Haare zusammenband und Nico dabei weiterhin wütend anfunkelte. Sie war vollkommen verunsichert und wusste überhaupt nicht, ob Nico nicht doch bestens über alles, was sie betraf informiert war. Vielleicht hatten diese Immaculates ja schon länger auf sie gelauert und nur darauf gewartet, sie in die Finger zu kriegen.
    Unbewusst fuhr sie sich mit der Zungenspitze über das Zahnfleisch am Oberkiefer. Es prickelte und pochte tatsächlich. Das musste aber gar nichts bedeuten, nachdem sie sich übergeben hatte. Ihr ganzer Mund und Rachen tat weh. Das konnte durchaus von der Säure kommen.
Aber so explizit? So etwas mussten kleine Kinder spüren, wenn sie zahnten. Gloria hatte tatsächlich das Bedürfnis, irgendwo reinzubeißen. Damit der Druck nachließ und die Symptome gelindert wurden. Hastig biss sie sich auf die Unterlippe.
Das konnte sie unmöglich zugeben. Man würde sie weiterhin hier festhalten. Noch einmal ließ sie sich Nicos Worte durch den Kopf gehen. Sie hatte tatsächlich ein paar Fragen. Vielleicht schadete es nicht, die auch noch beantwortet zu bekommen. Verrückt waren hier ja eh schon alle.
    "Breed, hm? Die Frau, die mich angegriffen hat, hat mir genau dieses Wort entgegen gekrächzt, bevor sie meinen Kopf auf die Stufen der Penn Station geknallt hat. Und was ist mit dieser Romy passiert? Von was für einer besonderen Gabe sprichst du? Ich habe keine Gabe. Ich bin Anwältin. Das kann man lernen und glaub mir, ich bin verdammt gut in meinem Job.“
Diese Fragen, alle durcheinander und auf einmal gestellt lenkten hoffentlich von ihr als Thema ab. Allerdings wollte Gloria die Antworten darauf nicht wirklich wissen. Schon gar nicht, wenn diese Romy an dieser Krankheit gestorben war. Nico sollte sie ja nicht an der Nase herum führen. Gloria fand nichts an dieser Sache lustig.

    Nico seufzte. Ihr fiel kein anderer Weg ein, ihr Bedauern auszudrücken. Und in Tränen ausbrechen kam wohl kaum in Frage.

Weitere Kostenlose Bücher