Die Suenden der Vergangenheit
verlieren hatte sie laut Nico und Romy, die sie nun so gut wie über alles aufgeklärt hatten, eh nicht mehr viel. Außer ihrem Leben.
Ihre Tante hatte ihr nie ein Haar gekrümmt. Man hatte sie geliebt und Gloria war sich sicher, dass ihre Tante es immer noch tat. Egal, ob sie nun in Kauf nahm, das Gloria starb oder nicht. Sie war immer noch bereit, zu ihrer Familie zu stehen. Die Grausamkeit war immer noch zu unbegreiflich, um wirklich zu glauben, was Gloria ohne Hilfe zustoßen könnte. Tatsachen, die man akzeptieren musste.
„Okay, ich mach es. Holt Peter zurück, lasst ihn eine Schüssel voll bluten und ich trinke sie leer. Meinetwegen spende ich auch ein bisschen was, aber das gefälligst nur wie beim Roten Kreuz und nicht mit irgendwelchen Dolchschnitten.“
Sie war bereit, diesen Tatsachen, von denen Romy sprach, ins Auge zu sehen. So schlimm konnte es jawohl nicht sein, wenn die zwei Damen so offen für diese Sache waren. Ekel und Pein konnte man sicher für ein bis zwei Minuten hinten anstellen, wenn man danach die Aussicht hatte, möglicherweise hundert zu werden und irgendwann friedlich im eigenen Bett zu sterben und nicht auf offener Straße zu krepieren oder massakriert zu werden. Gloria ging davon aus, dass sie danach wieder ein vollkommen normaler Mensch sein würde. So wie Nico und Romy vor ihr.
Romy und Nico tauschten einen betroffenen Blick aus, als Gloria sich überraschend schnell mit den Tatsachen abfand und sogar Vorschläge machte, wie man sie „heilen“ könnte. Beide nahmen einen tiefen Atemzug und Nico streckte schon die Hand aus, um sie in einer Geste des Trostes auf Glorias Unterarm zu legen, ließ sie dann aber fallen, weil sie nicht aufdringlich sein wollte.
„Du bist wirklich sehr mutig!“, begann Romy, die ein wenig schneller ihre Fassung wieder fand.
„Viel mutiger als ich es an deiner Stelle gewesen bin. Peter ist leider nicht stark genug, Gloria… Vor dem Angriff wäre es vielleicht noch möglich gewesen, aber nicht mehr jetzt, wo du so viel Blut verloren hast, dessen Regeneration dich noch schwächer machen wird…“
An dieser Stelle übernahm Nico, die mehr wusste als Romy.
„Peter hat sehr viel gewagt, als er dir heute sein Blut zu trinken gegeben hat. Ich will es nicht als Blutspende bezeichnen, weil es bestimmte Rituale gibt, die dabei eingehalten werden müssen. Natürlich gibt es die Möglichkeit der Transfusion, allerdings genügt die nicht, um dich umzuwandeln. Versteh das Wort nicht falsch, Gloria. Du verwandelst dich nicht einfach in ein Monster, wie dir wohl gerade durch den Kopf schießen mag. Wir sind keine Monster. Man kann uns als übernatürlich oder übermenschlich bezeichnen, das ist wohl wahr. Immerhin weißt du von unseren besonderen Fähigkeiten, die ja nicht unbedingt alltäglich sind. Du bist jetzt schon Eine von uns. Dir fehlt nur noch der letzte Schritt, der die Metamorphose möglich macht. Und es geht dabei nicht darum, dich mit Dolchen oder anderen Klingen zu verletzen…“
Romy riss die Augen weit auf, als sie hörte, was der Enforcer getan hatte.
„Lass das nicht Cat hören, die häutet den Mann bei lebendigem Leib! Jetzt verstehe ich, warum es dir so gut geht und warum ich einen gemischten Duft an dir wahrgenommen habe. Ich wusste nur nicht, dass es der von diesem Peter ist… Hör zu, Gloria! Es ist nicht so einfach, wie du das gerne hättest. Leider nicht."
Romy hätte niemals gedacht, zu beinahe derselben Erklärung ausholen zu müssen, die Rys ihr damals in diesem Raum angedeihen hatte lassen. Verkehrte Welt.
"…Es tut mir leid, wenn ich gerade ein paar Hoffnungen in dir zerschlagen habe, dass es einfach und schnell über die Bühne zu bringen möglich scheint. Deswegen ist deine Freiwilligkeit und deine Zustimmung so wichtig. Es ist etwas, das dich zutiefst verstören kann, wenn wir nicht mit der nötigen Rücksicht und Sorgfalt vorgehen. Deine Tante weiß auch über diese Umwandlungen Bescheid, wenn sie selbst als Immaculate auf die Welt gekommen ist. Vielleicht dachte sie, sie täte dir einen Gefallen, wenn sie dir das erspart, aber sie hat es dir nur schwerer gemacht. Oder es war ihre volle Absicht, weil sie damit sicherstellen konnte, dass du diesen Schritt niemals wagen würdest. Sie wollte dich schließlich von dem Leben fern halten, das sie nicht mehr führen möchte, selbst wenn sie damit dein Todesurteil gesprochen hat.“
Romy unterbrach sich, als es dezent an der Tür klopfte. Bevor Nico sich erheben konnte, um
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